Wirtschaft

Sichere Pensionen, stabiles Budget? EU hat Zweifel

Wo genau war er nun, der soziale Faktor? Angesichts von 23 Millionen arbeitslosen EU-Bürgern hatte Jean-Claude Juncker versprochen, für seine Kommission zähle der Mensch mehr als nackte Zahlen. Davon war am Mittwoch auf den ersten Blick wenig zu erkennen. Gut, Sozialkommissarin Marianne Thyssen stand mit auf dem Podium, sonst sah die Zeugnisvergabe für die Wirtschaftspolitik der EU-Länder ("länderspezifische Empfehlungen") aus wie eh und je.

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Eines wurde dabei offenkundig: Die Musterschüler von gestern sind die Problemkinder von heute geworden. Finnland fasste eine Rüge aus, weil es seine Budget- und Defizitziele verfehlt hat. Und Österreich kommt nicht und nicht aus dem Formtief. Während die Eurozone im ersten Quartal 2015 auf soliden Wachstumspfad schwenkte(Grafik), schleppte sich hierzulande die Wirtschaftsleistung an der Nulllinie entlang.

Die EU-Kommission sieht für Österreich noch reichlich Luft für Verbesserungen. Mit Empfehlungen, die teilweise recht bekannt vorkommen.

Budget Österreich brauche Nachbesserungen, um das Defizit in den Griff zu kriegen, sonst laufe man Gefahr, das strukturelle Nulldefizit 2016 zu verfehlen. Lob gibt es für die Steuerreform – solange sie „budget-neutral“ bleibt, sprich keine neuen Lücken in den Haushalt reißt.

Pensionen Die Brüsseler Experten halten die Finanzierbarkeit des Pensionssystems auf lange Sicht nicht für gesichert. Sie sind skeptisch, ob die eingeleiteten Reformen und der erschwerte Zugang zur Frühpension ausreichen. Das Antrittsalter liegt mit 59,7 Jahren unverändert weit unter dem EU-Durchschnittswert von 63,1 Jahren.

Steuern Rückenwind erhält Finanzminister Hans Jörg Schelling für einen kräftigen Umsturz des Finanzausgleichs: Dass die Bundesländer kaum eigene Steuern, aber umfangreiche Auf- und vor allem Ausgaben haben, schadet dem Reformeifer, kritisieren die Experten.

Gesundheit Weil die Ausgaben zu den EU-weit höchsten zählen, müsse sich Österreich schon jetzt Gedanken über die nächste Reform nach 2016 machen.

Schulen Jugendliche aus ärmeren und/oder Migrantenhaushalten besser ausbilden, das ist und bleibt die Herausforderung. Die Kommission sieht bei der Neuen Mittelschule noch Schwächen.

Banken Keine Kritik übt die Kommission hingegen am Vorgehen der Regierung bei der ÖVAG und HETA – im Gegenteil. Österreich mache Fortschritte bei der Abwicklung der Problembanken. Beim Zahlungsstopp für HETA-Schulden kämen die neuen EU-Instrumente zur Bankenabwicklung erstmals zum Einsatz. Das könnte ein gutes Omen für die bevorstehenden Prozesse sein. Die betroffenen Banken – vor allem deutsche – bezweifeln ja, dass Österreichs Agieren durch EU-Vorgaben gedeckt sei.

Von den Budgets der 28 EU-Staaten erhalten 18 einen Unbedenklichkeitsvermerk, darunter Österreich. Malta und Polen sind nun auch ihren Verfahren wegen übermäßiger Defizite entronnen.

Dieses dürfte dafür den Finnen blühen – für neun Länder, darunter Frankreich und Großbritannien, laufen die Verfahren weiter. Die Briten haben ihre Defizitvorgaben zwar verfehlt, erhalten aber noch Zeit bis 2016/’17, bevor ihnen eine Strafe droht.

Griechische Rezession

Für die Mehrzahl der EU-Länder waren die Wachstumszahlen des ersten Quartals erfreulich. Schlechter noch als Österreich hat es freilich die Finnen erwischt, die in die Rezession zurückfielen. Dort sind auch die Griechen wieder gelandet, die im Herbst 2014 noch zu den Wachstumskaisern gehörten.

Und wo war sie nun wirklich, die soziale Komponente? Quasi allgegenwärtig, rechtfertigte sich Kommissionsvizechef Valdis Dombrovskis: Die Sorge um mehr Beschäftigung und Jobs sei in alle Empfehlungen eingeflossen.