Schweiz: Nicht unter 3300 Euro im Monat
Von Anita Staudacher
Klassenkampf in den noblen Gassen Zürichs: "Geld ist genug da, aber schlecht verteilt", skandieren Aktivisten der Mindestlohn-Initiative und fordern "faire Löhne, von denen man auch leben kann". Fair, das heißt auf schweizerisch zumindest 22 Franken (18 Euro) pro Stunde oder 4000 Franken pro Monat, also knapp 3300 Euro.
Stimmen die Bürger heute, Sonntag, für die Mindestlohn-Initiative der Gewerkschaft, hätte die Schweiz die mit Abstand höchste Lohnuntergrenze der Welt. Zum Vergleich: Der in Deutschland ab 2015 geplante Mindeststundenlohn wäre mit 8,50 Euro nicht einmal halb so hoch. In Österreich gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn, knapp die Hälfte aller Kollektivverträge (KV) sieht jedoch mehr als 8,50 Euro (ca. 1500 Euro pro Monat) als Einstiegsgehalt vor. Österreichische Unternehmen in der Schweiz wollten sich auf KURIER-Anfrage lieber nicht zur Mindestlohn-Debatte äußern: "Zu politisch."
Pro
Contra
Arbeitgebervertreter und Ökonomen sehen in der staatlich diktierten Lohnuntergrenze einen Eingriff in die Vertragsfreiheit und warnen vor negativen Folgen wie Jobabbau und Abwanderung. Die Initiative schade gerade den Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt, wird argumentiert: Teilzeitjobs für Frauen seien gefährdet und die Lehre verliere an Attraktivität, wenn auch ohne Abschluss 4000 Franken verdient wird. Unterschiedliche Lebenserhaltungskosten innerhalb der Schweiz werden ebenso ins Treffen geführt wie die Branchenstrukturen. Ein Kleingewerbler könne nicht denselben Lohn zahlen wie ein Pharmakonzern. Und die wirklich Armen seien ohnehin nicht erwerbstätig.
"Ein Mindestlohn schafft nicht die erwünschten Umverteilungseffekte, weil er alle über einen Kamm schert", glaubt auch IHS-Chef Christian Keuschnigg, der Nationalökonomie an der Universität St. Gallen lehrt. Ein Mindestlohn differenziere weder nach Branchen noch Regionen und auch nicht, ob jemand reich ist oder Sozialtransfers benötige. "Das ist ein Eingriff in die Marktwirtschaft und Tarifautonomie, die der Staat lieber lassen sollte", sagt Keuschnigg.
Die Mehrheit der Schweizer dürfte ähnlicher Meinung sein. Eine aktuelle Umfrage gibt der Initiative keine Chance. Demnach lehnen fast zwei Drittel der Schweizer diesen staatlichen Eingriff ab. Knapp dagegen dürfte es bei der parallel ablaufen Abstimmung über den Ankauf neuer Kampfjets werden.