Wirtschaft

Schuldenfalle Selbstständigkeit

Österreichs Schuldnerberatungen haben alle Hände voll zu tun. Im vergangenen Jahr suchten fast 59.000 überschuldete Personen Hilfe bei den Finanzexperten. Auffällig ist, dass schon 19,1 Prozent der Pleitiers ehemalige Selbstständige sind, die mit ihrer Firma scheiterten. (siehe Grafik). "Ex-Selbstständige sind im Schnitt mit 101.000 Euro deutlich höher überschuldet als unsere anderen Klienten", sagt Hans Grohs vom Dachverband ASB Schuldnerberatungen . "Markant ist auch, dass sich der Anteil der gescheiterten Unternehmer, die älter als 50 Jahre sind, seit 2003 auf 40 Prozent verdoppelt hat."

Rund 20 Prozent der Selbstständigen kentern innerhalb von zwei Jahren, weitere 50 Prozent binnen drei Jahren. Besorgniserregend sei, so Grohs, dass auch die Zahl jener, die schon im ersten Jahr stranden, steigt. Die meisten scheitern in der Gastronomie (19,6 Prozent), im Bereich Verkehr/Transport (15 Prozent) und im Handel (14 Prozent).

Im Vorjahr wurden 8568 Privatkonkurse eröffnet, 40 Prozent davon betrafen Ex-Unternehmer.

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"Für eine selbstständige Tätigkeit braucht es nicht nur eine gute Idee, sondern man muss prüfen, ob die Idee überhaupt auf dem Markt Chancen hat", sagt Wirtschaftsuni-Professorin Bettina Fuhrmann. "Viele prüfen die Marktfähigkeit ihrer Idee nicht." Außerdem sei das Wirtschaftswissen in Österreich mangelhaft. Es müsse klar sein, dass Umsatz nicht gleich Gewinn ist und ein Teil davon der Finanz gehöre. Nachsatz: "Es ist wichtig, diese Wissenslücken zu schließen und die Lehrpläne der Schulen zu nutzen, um Wirtschaftswissen zu vermitteln." Eine weitere Krux ist, dass 32 Prozent der gestrauchelten Unternehmer ehemalige Arbeitslose sind. "Generell ist Arbeitslosigkeit ein schlechter Berater, ein Unternehmen zu gründen", sagt Experte Grohs. Auch sollte kein Unternehmen auf (Kredit-)Schulden gegründet werden. Am Ende sei das dafür verpfändete Haus weg. Und erst wenn die Katastrophe voll eingetreten sei, kämen die Leute zur Schuldnerberatung.

Pilotprojekt Salzburg

Fakt ist: Hilfe der Schuldnerberater können nur Privatpersonen in Anspruch nehmen; Unternehmer erst dann, wenn sie den Gewerbeschein zurück- oder ihre Firma stillgelegt haben. In Salzburg gibt es dazu ein Pilotprojekt mit der Wirtschaftskammer. "Die Wirtschaftskammer weist uns jene Klienten zu, bei denen feststeht, dass sie ihr Unternehmen schließen werden", sagt Peter Niederreiter von der Schuldnerberatung Salzburg. Seine Berater begleiten die Ex-Selbstständigen auf den Behördenwegen, die notwendig sind, um das Unternehmen geordnet abzuwickeln und die Schulden festzustellen. Die Projektkosten trägt die Wirtschaftskammer Salzburg.

Die zehn Schuldnerberatungen haben mit ihren 122 Experten im Vorjahr rund 58.800 überschuldete Österreicher betreut. Im Schnitt hatte jeder Klient 67.000 Euro Schulden. 58 Prozent der Kunden sind Männer. Sie hatten im Schnitt rund 77.200 Euro Schulden, Frauen nur etwa 52.500 Euro. Das Gros (40,6 Prozent) der überschuldeten Personen, die Beratung suchten, ist arbeitslos. 19,1 Prozent sind gescheiterte Unternehmer. Doch die Zahl der überschuldeten Österreicher ist tatsächlich viel höher. Rund 200.000 Österreicher waren 2014 mit 697.300 Lohnpfändungen konfrontiert. Das macht 3165 Pfändungsanträge pro Tag – etwas mehr als im Jahr 2013. Der Lohn kann bis auf ein Existenzminimum von 837 Euro gepfändet werden.

In 818.600 Fällen versuchten Gerichtsvollzieher, auch bewegliche Gegenstände wie Uhren, TV-Geräte oder Computer einzukassieren. Gegenstände wie Kleider, die zu einer einfachen Lebensführung dienen, sind unpfändbar.