Wirtschaft

Schoko und Leiterplatten für China

Oft ist der chinesische Markt ein einziges Rätsel: Da stellt man für die Laktose-unverträglichen Chinesen eine laktosefreie Schokolade her, und dann stehen die auf ganz normale Milchschokolade. Während – umgekehrt – die vegane Schokolade für den europäischen Markt, auf dem echte Laktoseunverträglichkeit in Wahrheit nur selten vorkommt, ein Renner ist. Es ist Julia Zotter, die das lachend erzählt. Die 27-jährige Tochter des legendären Chocolatiers führt das Geschäft in der 24-Millionen-Einwohner-Metropole Schanghai. Es liegt etwas abgelegen in einer coolen Shopping-Mall: ein denkmalgeschütztes Backstein-Gebäude, das früher einmal eine Fabrik war. Hier gibt es wie in der Steiermark das Schokokino, ein Kaffeehaus und eine kleine Produktion handgeschöpfter Schokoladen mit Shop. Sechs Millionen Euro wurden hier im Vorjahr investiert. Das Geschäft wächst langsam, ohne große Propaganda. Um wirklich groß in den chinesischen Markt einzusteigen, hätte die Firma auch gar nicht genügend Bio-Rohstoffe, sagt Julia Zotter. Sie wirkt zufrieden und behauptet, Schokolade immer noch zu mögen.

Autoschlüssel-Technik

Eine der größten heimischen Firmen vor Ort ist AT&S, das in Schanghai 2001 seine Produktion startete und auf einer Fläche, so groß wie 15 Fußballfelder, 4500 Angestellte für seine Leiterplattenproduktion beschäftigt. Die High-End-Technologie befindet sich in Autoschlüsseln, Mobiltelefonen, Medizintechnik. Firmensprache ist Englisch. Und AT&S ist weiter auf Expansionskurs in China, investiert gerade 450 Millionen Euro in einen neuen Standort in Chongqin.

Wer hier in China produziert, tut es wegen des großen Marktes, nicht wegen der billigen Arbeitskraft. Denn Billiglohnland ist China schon lange nicht mehr. Zur reinen Lohnfertigung sind viele Firmen – etwa im Textilbereich – längst nach Kambodscha und Bangladesch weitergezogen. Die Loyalität zur Firma ist niedrig. Für ein höheres Gehalt wird schnell der Job gewechselt. Mittlerweile gibt es auch Gesundheits- und Pensionsversorgung für die Massen – auch wenn das mit europäischen Verhältnissen noch nicht vergleichbar ist. Fest steht: Die Chinesen sind eindeutig Gewinner der Globalisierung, auch wenn sich das Wirtschaftswachstum abgeschwächt hat. Das aber ist eine nicht ungefährliche Entwicklung für europäische und US-Firmen, etwa im Autobereich, deren Bilanzen dank des chinesischen Markts gut aussehen.

Begehrtes Auto

Das eigene Auto ist teures Statussymbol für Chinesen, die Lizenzen dafür sind in etlichen Großstädten limitiert und müssen teuer ersteigert werden. Denn schon jetzt erstickt etwa Schanghai im Verkehr (und in schlechter Luft). Der Stau ist ständiger Begleiter im Alltag. Kein Wunder in einer Stadt, die alljährlich zum Beispiel 730 Messen in insgesamt acht Messehallen veranstaltet.

Eine Blase könnte sich am Immobilienmarkt abzeichnen. Die Städte sind hoch verschuldet. Um es ihnen leichter zu machen, bei Investoren Geld einzusammeln, sollen künftig auch Kommunalanleihen als Sicherheiten dienen können, wenn sich Finanzinstitute bei der Notenbank mit Liquidität eindecken. Ein durchaus nicht ungefährlicher Weg, wie man gerade in Österreich weiß.

Hallstatt-Boom

Dass der Aufschwung nicht mehr so rasend schnell geht, mache es härter für Ausländer, mit den Chinesen ins Geschäft zu kommen, sagt der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Schanghai, Raymund Gradt. Österreich haben die wenigsten Chinesen auf ihrem Radar. Und leider klingt auch hier Australien phonetisch sehr ähnlich. Noch immer verbindet man Österreich in China eher mit Sissi als mit Technik.

Seit Hallstatt in China originalgetreu aufgebaut wurde, sind chinesische Touristen auf das kleine Alpenland aufmerksam geworden. Die reiche Oberschicht liebt außerdem teure Statussymbole – und kauft sie in Europa billiger ein als daheim.

Österreich sollte sich viel mehr auf diese touristische Stärke konzentrieren, sinniert Gottfried Bogensperger. Der gebürtige Steirer ist Generaldirektor im Schanghaier Hyatt on the Bund. Dass sich der Originalort Hallstatt vom chinesischen Massentourismus überrollen lässt, statt auf Fünf-Sterne-Touristen zu setzen und Eintritt für den Ort zu verlangen, versteht er nicht. "Österreich steht für Museum und Mozart – diese Marke kann man noch viel mehr ausbauen!"

Unberührte Natur – das ist vor allem in Schanghai eine unerfüllte Sehnsucht. Wer am Wochenende in den Wald gehen will, nimmt dafür eine achtstündige Busfahrt in Kauf – in nur eine Richtung.