Wirtschaft

Jedes fünfte Unternehmen baut Personal ab

Obwohl sie kräftiger denn je in die Hände spucken, ist die Lage der 323.600 österreichischen Klein- und Mittelbetriebe (KMU) so schlecht wie schon lange nicht mehr. Jedes fünfte heimische Unternehmen (22,6 Prozent) hat heuer bereits Mitarbeiter abgebaut. Etwa 26 Prozent der Firmen werden in den nächsten sechs Monaten ihr Personal reduzieren. Das ergab eine Umfrage, die die Wirtschaftsauskunftei Creditreform im Oktober bei 1300 KMU durchgeführt hat.

„Die wirtschaftliche Lage verschärft sich auf allen Ebenen und ist auf einem neuen Tiefpunkt angelangt“, sagt Gerhard Weinhofer von Creditreform zum KURIER. „Der Grund für die negative Personalentwicklung liegt auf der Hand, die Umsätze sind im vierten Jahr in Folge rückläufig.“ Im Handel und am Bau fielen die meisten Jobs weg. Knapp 30 Prozent der Baufirmen und ein Viertel der Handelshäuser haben Mitarbeiter gekündigt.

„In der Baubranche sanken bei jedem dritten Unternehmen die Umsätze“, weiß Weinhofer. „Außerdem rechnet jede zweite Baufirma auch in den nächsten sechs Monaten mit geringeren Umsätzen.“ Kein Wunder also, dass fast die Hälfte (49 Prozent) aller Bauunternehmen davon ausgeht, dass sie in naher Zukunft weitere Mitarbeiter auf die Straße setzen. Detail am Rande: Nur acht Prozent der KMU wollen in naher Zukunft Personal aufnehmen. Ganz ordentlich zu kämpfen hat auch der stationäre Einzelhandel. „Die Konsumenten werden immer kritischer und preisbewusster und kaufen überwiegend online ein, unter anderem bei deutschen Versandhäusern wie Zalando oder bei Amazon“, sagt der Experte. „Dadurch steigt der Preisdruck im Einzelhandel, das Resultat sind geringere Erträge.“Verschärft wird die Lage dadurch, dass fast jedes vierte Unternehmen eine zu geringe Eigenkapitaldecke hat. Baufirmen seien in der Regel am schlechtesten kapitalisiert.

Trübe Aussichten

„Es gibt seit drei, vier Quartalen eine sehr traurige Umsatzentwicklung , die Umsätze gehen konstant zurück“, bestätigt Walter Bornett, Chef der KMU-Forschung Austria, dem KURIER. „Es ist schon sensationell, dass etwa 80 Prozent der Gewerbe- und Handwerksbetriebe versuchen, auch in schlechten Zeiten ihr Fachpersonal zu halten.“ Derzeit fehlen vor allem öffentliche Aufträge und das Kapital für Investitionen.

Und es gibt ein weiteres Alarmzeichen. „Auch der private Konsum stagniert“, sagt Bornett. Er geht davon aus, dass derzeit sogar ein Wirtschaftswachstum „in Richtung drei Prozent benötigt wird“, um tatsächlich Arbeitsplätze schaffen zu können.

„Man muss den Betrieben wieder Mut machen und die Stimmung verbessern“, sagt der KMU-Forscher. „Wir brauchen mehr Wohnungen, Kindergärten und Schulen sowie mehr thermische Sanierungen. Die öffentliche Hand müsste hier vorpreschen und das vorfinanzieren.“ Nachsatz: „Über diese Förderungen im Bauwesen wird mehr Geld ins Budget zurückfließen, als ausgegeben wird.“

KURIER: Jedes vierte Unternehmen will Mitarbeiter abbauen. Machen Sie sich da nicht Sorgen?

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Reinhold Mitterlehner: Natürlich ist das keine angenehme Botschaft. Die Unternehmer versuchen Kosten zu optimieren, weil sie derzeit nur eine Kapazitätsauslastung von ungefähr 85 Prozent haben. Aber ich erwarte eine Stimmungsänderung durch die Konjunkturbelebungsmaßnahmen und durch die Steuerreform.

Angesichts des Flüchtlingsstroms scheint das Land in einer Art Schreckstarre zu sein.

Ökonomen meinen, die Volkswirtschaft werde durch die Flüchtlinge und deren Grundversorgung um 0,2 bis 0,4 Prozent wachsen.

Aber auf Pump.

Sie sagen auch, dass sich die Pro-Kopf-Produktivität dadurch senken wird. Die Sozialsysteme werden mittelfristig belastet. Aber, was das Wachstum betrifft, wird sicher kein Schaden eintreten. Die Frage ist nur, ob die Wertschöpfung dauerhaft ist. Man muss daher möglichst schnell die Integration starten und die Menschen in die Mangelberufe bringen.

Die Unternehmer scheinen das Gefühl zu haben, dass sie die Steuerreform zahlen müssen – Stichwort Gegenfinanzierung.

Weil jeder nur die Einführung der Registrierkasse sieht. Aber selbst die sollte sich positiv auswirken: Man wird dann Kostenpotenziale und Gewinnmöglichkeiten besser sehen. Die Selbstständigen werden außerdem bei der Einkommensteuer spürbar entlastet, genauso wie Betriebe durch die Lohnnebenkostensenkung. Die Bürokratie haben wir auch angepackt. Wir haben das Thema verstanden und arbeiten daran.

Die Unternehmer fühlen sich kriminalisiert und kontrolliert bis zum geht nicht mehr.

Der Österreicher jammert gern, entwickelt sich aber dennoch weiter. Wenn ich 35 Millionen Grunderwerbsteuer habe, schreien alle "Wahnsinn". Wenn aber die Lohnnebenkosten um bis zu eine Milliarde gesenkt werden, wird das als selbstverständlich hingenommen. Eine Firma mit zehn Mitarbeitern wird sich dadurch in etwa ein Monatsgehalt ersparen. Wir haben auch flexiblere Arbeitszeiten erreicht – zumindest, was Dienstreisen und Montagezeiten betrifft. Das ist positiv. - Martina Salomon

Stimmungslage: dicht bewölkt. Aussichten: Sturmtief. So präsentieren sich derzeit die mittleren Unternehmen. Jedes vierte will (weiter) Personal abbauen. Das Vertrauen in eine positive Entwicklung des Landes ist gering. Unternehmer fühlen sich immer öfter in die Rolle des Klassenfeinds gedrängt, der für alles und jeden gefälligst blechen soll.

Es werden ja auch ständig neue, tolle Steuerideen gewälzt und weitere Kontroll- und Aufzeichnungspflichten für Firmen erfunden. Gleichzeitig ist gut sichtbar, wie eine Regierung weder eine kleine Kärntner Landesbank noch einen Flüchtlingsstrom auch nur halbwegs kontrollieren kann, geschweige denn eine große Staatsreform schafft. Während erfolglose Manager staatsnaher Firmen meist noch eine stattliche Abfertigung nachgeschmissen bekommen, sehen sich Selbstständige (Stichworte: Sozialbetrugsgesetz oder Karussellbetrug) ständig kriminalisiert. Die Registrierkassenpflicht ist zwar völlig in Ordnung, aber die dilettantische Art der Einführung haarsträubend. Obwohl eine Wohnbau-Offensive dringend nötig wäre, würgt man mit Regelungen (etwa veränderten Abschreibungen) und periodisch wiederkehrenden Debatten über neue Mietzinsobergrenzen den privaten Wohnbau ab. Dafür soll eine Wohnbaubank kommen. Aber wer braucht die?

Ja, natürlich gab es einzelne Entlastungsmaßnahmen. An den Unternehmer-Problemen trägt auch nicht nur der Bund die Schuld. Das liegt genauso an den Sozialversicherungen, an den Ländern, wenn sie Bundesgesetze schlecht ausführen, und an Branchenvertretern, die sich Regelungen wünschen, nur um das Geschäft zu sichern. Der Cocktail aus allem schmeckt leider bitter.

martina.salomon@kurier.at