Wirtschaft

Frauen regieren die Finanzwelt

Männer hatten ihre Chance. 2014 liegt die Stabilität der globalen Finanzwelt in weiblichen Händen. Drei Frauen entscheiden, ob sich das Geldkarussell wieder dreht – oder ganz aus der Bahn fliegt.

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Ab Februar leitet dieUS-Amerikanerin Janet Yellen (67) die mächtigste Notenbank der Welt, die Federal Reserve.Danièle Nouy(63), Generalsekretärin der französischen Bankenaufsicht, soll ab Herbst 2014 Europas größte Geldinstitute bändigen – sie ist Favoritin für den Vorsitz im „Supervisory Board“ der EZB-Bankenaufsicht. Eine weitere Französin,Christine Lagarde (57), führt schon seit Juli 2011 den Internationalen Währungsfonds (IWF).
Es sind drei Schlüsselfunktionen für das Krisenmanagement: Yellen muss die Flut des billigen Geldes eindämmen, ohne dass die Finanzmärkte verrückt spielen oder die Erholung abgewürgt wird. Lagarde hält mit der „Finanzfeuerwehr“ IWF die Brandherde Eurozone, Osteuropa und Schwellenländer unter Kontrolle. Und Nouy soll die Investoren überzeugen, dass Europas Banken vertrauenswürdig sind. Sie blickt auf 40 Jahre Erfahrung bei der französischen Zentralbank zurück, ihre Bestellung gilt als fix. Mit der deutschen ChefaufseherinElke König(Bafin) und Bundesbank-VizeSabine Lautenschläger hätte es noch zwei nicht minder qualifizierte Kandidatinnen gegeben.

Ist die Finanzwelt in weiblichen Händen besser aufgehoben? Gerade in Boomphasen wäre Vorsicht und Besonnenheit gefragt – da ließen aber die Männer in einem „Riesen-Macho-Spiel“ die Sau raus, konstatiert Trendforscher Matthias Horx. Leider würden Frauen meist erst geholt, wenn die Kohlen aus dem Feuer zu holen sind.

Österreich darf sich einer (seltenen) Vorreiterrolle rühmen: OeNB-Chefin Maria Schaumayer sorgte 1990 als erste Frau an der Spitze einer Notenbank für Schlagzeilen. Leider darf die Pionierin den Erfolg ihrer Erbinnen nicht mehr erleben: Sie ist im Jänner 2013 gestorben.

Heute sind Zentralbank-Chefinnen keine Seltenheit. Bei der US-Notenbank war zwar Lawrence Summers der Favorit des Weißen Hauses. Er stolperte aber über seine Mitverantwortung für lockere Regeln, die zur Krise geführt haben. Yellen ist fachlich unumstritten. Sie gilt als besonnen, umgänglich, aber durchsetzungsstark.

In Russland dirigiert seit Juni 2013 die frühere Wirtschaftsministerin und Putin-Beraterin Elvira Nabiullina (49) die Geldpolitik. Kritiker haben Zweifel an ihrer Unabhängigkeit: Nabiullina steht im Ruf absoluter Loyalität gegenüber dem Präsidenten.In Israel stieg Karnit Flug (58) Mitte Oktober zur Notenbankchefin auf. Die Besetzung geriet fast zur Farce: Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forcierte lange Zeit Ex-Zentralbankchef Jacob Frenkel. Dieser musste aber passen: Ihm wurde vorgeworfen, im Dutyfree-Shop aufs Bezahlen vergessen zu haben. Solche Probleme sind Gill Marcus fremd. Südafrikas Zentralbankchefin (seit 2009) genießt viel Respekt. Für Furore sorgte ihr Sager: „Die Menschen erwarten, dass Frauen flirten. Ich wüsste nicht, wie, bin aber deshalb keine schwierige Person. Ich erledige einfach geradlinig meinen Job.“

KURIER: Können Frauen besser mit Geld umgehen?

Es gibt tatsächlich Studien, die zeigen, dass Frauen ein vorsichtigeres Anlageverhalten haben. Der größte Fonds der Welt, der norwegische Staatsfonds, wird zu einem großen Teil von Frauen gesteuert. Er kam besser durch die Krise. Aber in anderen Phasen kann Vorsicht gerade die falsche Strategie sein. Wer den Mut hatte, vor zwei Jahren Aktien zu kaufen, steht heute sehr gut da. Frauen hätten da womöglich vorsichtiger gehandelt und wären deshalb schlechter mit Geld umgegangen als Männer – in manchen Zeiten ist Risiko ja eher etwas Gutes.

Was ist die weibliche Stärke?

In den „Mikroökonomien“ der Familie und des Dorfes sind Frauen nachweislich die besten Ökonominnen. Das zeigen viele Beispiele aus den Schwellenländern, aber auch die Alltagserfahrung: Wo Geld auf Wirklichkeit trifft, gibt es einen solideren weiblichen Realitätssinn. Wo Geld abstrakt wird, haben Männer und Frauen vermutlich ähnliche Probleme.

Das Hormon Testosteron treibt Männer zu riskanten Geschäften: ein Bonmot oder wissenschaftlich belegbar?

In der euphorischen Phase von Boom-Zeiten gibt es in der Tat einen solchen Effekt des monetären Machismo. Wenn Boom-Party ist, ist Geld eben Sex und Macht – auch Frauen lassen sich davon beeindrucken. Insofern war die Finanzkrise auch ein Riesen-Macho-Spiel. Ich erinnere mich an Finanzvertreter-Kongresse 2006 und 2007, bei denen dermaßen die männliche Sau rausgelassen wurde, dass ich als Vortragender schnell das Weite gesucht habe. Da war kein Klischee tiefgelegt genug.

Aufseher müssen Boom-Partys „abdrehen“ können. Wer setzt sich da leichter durch?

Ich glaube, das ist inzwischen keine Frage des Geschlechts mehr. Da haben die Frauen echt gleichgezogen. Man braucht eine hartnäckige Nüchternheit, das können im Prinzip Männer wie Frauen.

Warum werden jetzt Frauen für so wichtige Positionen geholt: Zufall oder Folge der Krise?

Viele Männer haben die Karre dermaßen in den Sand gefahren, dass sie nicht mehr infrage kommen. In Island war die gesamte Führungsschicht der Banken diskreditiert. Als Folge wurden Frauen die Direktorinnen der größten Banken. Sie mussten die Kohlen aus dem Feuer holen. Dieses „Krisen-aufräumen-Syndrom“ findet man leider auch viel in der Politik und der Alltagswelt. Wenn Frauen politisch an die Macht kommen, ist das meist nach Zeiten, in denen die Männer es gründlich vergeigt haben.