Wirtschaft

Ratings: Europäer fordern USA heraus

Undurchschaubar und politisch motiviert. Diese Vorwürfe müssen die US-Ratingagenturen aus Europa oft hören. In zwei EU-Richtlinien wurde die Arbeit der Agenturen bereits reguliert. Derzeit ist eine weitere in Ausarbeitung, die Richtung mehr Transparenz und Pluralität zielt. Im Entwurf dazu nicht enthalten ist die Schaffung einer europäischen Ratingagentur. "Wir brauchen eine solche als Ausgleich und für mehr Wettbewerb", sagt SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner. Als sozialdemokratische Chefverhandlerin zu Ratingagenturen im EU-Parlament will sie ein europäisches Gegenstück in der dritten Richtlinie verankern.

Zwar gibt es derzeit auch in Europa einige Unternehmen, die Bewertungen erstellen. Sie sind aber nur in Nischen daheim und haben keine große Bedeutung. Das soll sich ändern. Die Unternehmensberatung Roland Berger arbeitet seit geraumer Zeit an einer europaweit tätigen Ratingagentur. "Wir könnten 2013 mit Länderratings starten", sagt Roland Berger-Partner Hendrik Bremer im KURIER-Gespräch. Derzeit würden die Investoren aufgestellt werden, ein Drittel habe man bereits zusammen. Der Berater will selbst keine Anteile an dem Unternehmen halten. Vielmehr soll die Finanzierung über Banken und Versicherungen laufen. Damit es zu keinen Interessenskonflikten kommt, soll die Agentur als Stiftung aufgebaut werden. "Im Stiftungsrat sitzen nur Experten, aber keine Vertreter der Investoren", sagt Bremer. Auch EU-Gelder sollen nicht fließen. Die Anlaufkosten würden 300 Millionen Euro (für hunderte Mitarbeiter, IT und Mietkosten) betragen, wobei 100 Millionen als Puffer gedacht seien. Roland Berger selbst will über einen Beratervertrag an der Agentur verdienen. In fünf bis sieben Jahren, so Bremer, soll sie in Europa einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent haben.

Abläufe

Bei den Ratings selbst will sie sich von den großen US-Agenturen neben der europäischen Perspektive auch durch mehr Transparenz bei den Ergebnissen und den zeitlichen Abläufen abgrenzen. "Es soll keine plötzlich veröffentlichten Ratings geben." Anders als bisher meist üblich sollen nicht die Emittenten, sondern die Investoren zahlen. Und zwar über eine Abgabe beim Kauf der Papiere über die Börse. Dies müsse von der EU noch erlaubt werden.Ebenfalls auf Investorensuche ist der 56-jährige Österreicher Günther Stur. "Ich komme mit 40 Millionen Euro aus." Der ehemalige Moody’s-Analyst hatte bereits eine eigene Ratingagentur, die allerdings vom Hauptaktionär geschlossen wurde. Derzeit berät er von Bad Homburg aus Firmen im Umgang mit Ratingagenturen. Seine eigene will er noch heuer starten. Beim Bewerten will er bisherige Ratingmethoden mit alternativen Ansätzen und mit "gesundem Hausverstand" verknüpfen und so zu genaueren Ergebnissen kommen. Der Wiener Thomas Missong wiederum will mehr Transparenz in Ratings bringen. Unter www.ratingplatform.com werden die Methoden einzelner Agenturen vorgestellt und aktuelle Ratings veröffentlicht.

Plattform: Rating per AbstimmungWikipedia kennt jeder, aber Wikirating? Die Plattform, gegründet vom Österreicher Dorian Credé, bietet der weltweiten Community die Möglichkeit, "selbst eine transparente und unabhängige Quelle von Credit Ratings aufzubauen", so Credé. "Die Fehlurteile und Kommunikationspannen der Ratingagenturen haben dazu beigetragen, dass sich das Weltfinanzsystem jetzt am Rand eines Zusammenbruches befindet", ist der 37-jährige Mathematiker überzeugt. Auf Wikirating gibt es zwei Rating-Methoden für Länder (weitere sollen folgen). Laut der Abstimmungsmethode haben die User bereits im Dezember Österreich ein schlechteres Rating gegeben, nämlich A-. Je nach Abstimmungsaktivität kann sich das Rating ändern. "Die zweite Rating-Methode, die auf wirtschaftlichen Indikatoren beruht, gibt Österreich sogar nur ein BBB-", sagt der in der Schweiz lebende Österreicher. Die Methode, dass anstelle von Experten jeder seine Meinung einfließen lassen kann, stößt auch auf Kritik. – Ulla Grünbacher

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