Wirtschaft

"Jeder senkt Kosten, keiner schaut auf Innovationen"

KURIER: Russland isoliert sich gerade in der Welt. Wie gefährlich ist das für Österreichs Wirtschaft, speziell für Raiffeisen?

Klaus Buchleitner: Die Entwicklungen muss man sicher mit Sorge sehen. Kurzfristig hängt das natürlich davon ab, ob und welche Art von Sanktionen es gibt. Ich bin aber grundsätzlich Optimist. In Zeiten der Globalisierung wird sich der Konflikt entschärfen. Ich gehe davon aus, dass die Auswirkungen auf Österreich langfristig gering bleiben.

Apropos Globalisierung: Wie läuft aus Ihrer Sicht die heimische Debatte über ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA?

Man muss darauf achten, dass europäische Interessen nicht zu kurz kommen: bei Umweltschutz, Gentechnik und Arbeitsstandards. Generell sind Freihandelsabkommen wirtschaftsfördernd und daher positiv.

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Wie beurteilen Sie den Standort Österreich?

Ein Wirtschaftsstandort braucht – wie ein Unternehmen – eine Strategie. Die fehlt mir in Österreich. Weil manches sehr lange nicht angepackt wird, kommt es dann zu Ad-hoc-Lösungen. Daher verlieren wir in den Rankings.

Was wünschen Sie sich?

Österreich müsste abseits von Schlagzeilen langfristig Innovation fördern, speziell im Umweltbereich. Wir brauchen eine radikale Entbürokratisierung und eine Reduktion der Kostenbelastung für Unternehmen.

Derzeit ist die Streichung von Förderungen im Gespräch, die im Agrarbereich besonders hoch sind. Würde das Raiffeisen treffen?

Natürlich hätte das Auswirkungen, spielentscheidend wäre es aber nicht. Die Raiffeisen-Agrarunternehmen sind so aufgestellt, dass sie auf den Weltmärkten wettbewerbsfähig sind.

Raiffeisen machte etliche negative Schlagzeilen: Agrana verdient aufgrund der Zuckerpreise weniger, NÖM muss sich von seiner defizitären britischen Tochter trennen, Epamedia wurde verkauft, aus Windparks zieht man sich zurück. Gibt’s eigentlich noch gute Nachrichten?

Die gute Nachricht ist, dass die Maßnahmen, die wir setzen, greifen. Wir haben 2013 wieder an das gewohnte Ergebnisniveau angeschlossen. Ausgestiegen sind wir bei Unternehmen, die sich nicht gut entwickelt haben und bei denen wir keine strategische Nachhaltigkeit gesehen haben. Wir müssen optimieren, Kapital ist durch die Basel-III-Regeln ein knappes Gut.

Zu knapp?

Nein, aber man muss alles tun, um die Kriterien zu erfüllen. Dazu braucht man Rentabilität. Bei der erneuerbaren Energie hätten wir massiv investieren müssen, um auch noch in zehn Jahren vorne dabei zu sein. Doch wir haben uns entschlossen, das verfügbare Kapital insbesondere in den Bankbereich und in die Agrarindustrie zu investieren.

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Die Erste Bank hat kürzlich mit einer Abschreibung von 1,6 Milliarden Euro geschockt. Muss man sich auch bei Raiffeisen auf böse Überraschungen gefasst machen?

Die RBI ist zumeist aus sich selbst heraus gewachsen und nicht durch große Akquisitionen. Daher kann es keine großen Firmenwertabschreibungen geben.

Ist die Ostfantasie für die heimische Wirtschaft vorbei?

Keinesfalls, diese Region hat innerhalb Europas noch immer höhere Wachstumsprognosen. Aber auch derartige Transformationen haben ihr Höhen und Tiefen.

Bei der Hypo Alpe-Adria wurden aber Milliarden in diesem Markt versenkt – und auch andere verlieren.

Unterm Strich bleibt dennoch eine exzellente Rentabilität im Osten, wie man sie wahrscheinlich in der Wirtschaftsgeschichte eines kleinen Landes nur alle paar Hundert Jahre erlebt: dass eine Region aufgeht und ein kleines Land wie Österreich hier so eine Perspektive entwickeln kann. Jetzt muss man die Konsolidierung gut bewältigen. Daran arbeiten die Banken sehr professionell.

Durch die Niedrigzinspolitik verdienen Banken derzeit wenig. Das macht den Investmentbereich erneut interessant – auch für Raiffeisen?

Spekulation gehört im Verständnis von Raiffeisen nicht zum klassischen Bankgeschäft – das tun wir nicht und haben es auch nie getan.

Raiffeisen ist großer Sponsor der gerade laufenden Sommer-Festivals, im Winter wird der Sport unterstützt. Wird das in Zukunft weniger werden?

Natürlich. Die Kostensenkungsprogramme betreffen auch das Sponsoring. Wir werden uns einerseits auf weniger Kern-Events konzentrieren. Andererseits sollen regionale Aktivitäten noch stärker unterstützt werden – vom Feuerwehrfest über den Kirtag bis zur Kindergarteneröffnung. Das passt auch zu uns.

Raiffeisen wirkt nicht mehr ganz so geschlossen wie früher, die Macht wurde auf mehrere Personen verteilt. Fehlt die Integrationsfigur?

Raiffeisen ist geschlossener denn je. Es entsteht möglicherweise ein anderer Eindruck, weil man nicht mehr nur Wachstumsperspektiven kommunizieren kann.

Raiffeisen hält auch etliche Medienbeteiligungen. Wie sehen Sie die Zukunft der Medien?

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Ein spannendes Thema – und nicht unähnlich dem Bankbereich. Wir brauchen auch in Zukunft Medien wie Banken. Doch derzeit gehen alle denselben, vorsichtigen Weg: Jeder senkt Kosten, keiner schaut auf Innovationen. Das führt zu einer Einheits-Melange. Banken sind wie Medien durch die Digitalisierung gefordert. In fünf Jahren – so die Prognose – werden zwei Drittel aller Kunden den Großteil ihrer Bankgeschäfte digital abwickeln. Hier sind bei den Banken und den Medien gute Ideen und rasche Umsetzung gefragt.

Und was tun Sie bei Raiffeisen?

Raiffeisen NÖ-Wien hat die Hausaufgaben erledigt, wir erfüllen als Landesbank bereits alle Basel-III-Regeln.

Viele im Bankbereich jammern, dass man momentan nur mehr Leute fürs Controlling und niemanden mehr für die Kunden anstellen kann.

Stimmt, aber diese Maßnahmen waren schon lange überfällig. 2014 ist für alle Banken, die unter die EZB-Aufsicht kommen – so wie für uns auch – ein sehr spannendes Jahr. Ich betrachte das als positiven Prozess. Er führt erstens dazu, dass sich Europa als eine Wirtschaftszone sieht – alle werden nach denselben Standards geprüft. Zweitens führt es zu interner Hygiene. Drittens wird es zeigen, dass die europäischen Banken, und insbesondere Raiffeisen, sehr zukunftssicher sind. Das wird das Vertrauen in die europäischen Banken stärken.

Herr über einen Riesenkonzern: Klaus Buchleitner Der Manager ist seit 2012 Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank und der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien. Davor war der Fünfzigjährige Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Ware Austria. Die Raiffeisen-Holding hält mehr als 700 Beteiligungen. Die wichtigste ist die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, dazu kommen Industriebeteiligungen wie Agrana, Leipnik-Lundenburger, NÖM, Strabag sowie Anteile an Medien (u. a. KURIER).