Preiserhebung: Mehr Wahrheit in den Warenkorb
Von Anita Staudacher
Sie kommen ein Mal im Monat – meistens unter der Woche – und schreiben die Preise vom Supermarktregal ab: 200 Mitarbeiter schickt die Statistik Austria Monat für Monat für die Erhebung der Lebensmittelpreise zur Inflationsberechnung aus.
Diese fiktiven Testkäufe sorgen für Kritik, weil sie das reale Einkaufsverhalten der Österreicher nur unzureichend abbilden. So wird ein Viertel aller Lebensmittel nur im Angebot gekauft, just vor dem Wochenende gibt es immer mehr Rabattaktionen und für Kundenkarten-Besitzer gibt es ebenfalls Ermäßigungen.
Überraschender Vorstoß
Um die Datenerhebung zu modernisieren und näher an die Realität zu führen, wagt die Statistik Austria einen überraschenden Vorstoß. Sie will regelmäßig in die Kassen der Supermärkte blicken und die echten Verkaufsdaten (Scannerdaten) der Händler für ihre Preiserhebungen nutzen. „Solche Scannerdaten sind im Lebensmittelhandel längst vorhanden, wir müssten nur die elektronischen Schnittstellen zu uns legen“, erläuterte Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer im Klub der Wirtschaftspublizisten. Mit den Scannerdaten würden die Statistiker genau wissen, welches Produkt in welcher Menge zu welchem Preis tatsächlich verkauft wurde. „Die Qualität der Erhebung würde deutlich steigen“, so Pesendorfer, der sich dadurch auch die Kosten für die Vor-Ort-Erhebung sparen würde.
"Solche Scannerdaten sind im Lebensmittelhandel längst vorhanden, wir müssten nur die elektronischen Schnittstellen zu uns legen"
Zudem könnte der Warenkorb rascher an ein geändertes Kaufverhalten angepasst werden. Wenn statt Filterkaffee nur noch Kapselkaffee gekauft werde, merke man dies derzeit erst bei der nächsten Konsumerhebung, die nur alle fünf Jahre stattfindet, nennt er ein Beispiel. Er hofft bis Jahresende auf eine Einigung mit den Handelsketten, in eineinhalb Jahren könnten die Echtdaten dann in die Inflationsberechnung einfließen. In Skandinavien ist dies bereits jetzt der Fall, die EU bereitet eine entsprechende Richtlinie vor. Sollten sich die Händler weigern, müssten sie vom Wirtschaftsminister per Verordnung dazu verpflichtet werden.
Datenschutz
Die Händler sind gespalten. Einerseits wollen sie wegen der von der AK festgestellten höheren Lebensmittelpreise als in Deutschland nicht ständig am Pranger stehen, andererseits fürchten sie um den Datenschutz. Es geht schließlich um heikle Dinge wie Preispolitik. „Wir wollen keine gläsernen Unternehmen, es muss sichergestellt werden, dass diese Daten nicht in falsche Hände geraten“, sagt Roman Seeliger von der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer. Personenbezogene Auswertungen würden keinesfalls zugelassen. Pesendorfer versichert, dass die Daten nicht auf einzelne Käufer oder Händler rückführbar seien und auch die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) keinen Zugriff erhalte.
Ob die Berücksichtigung von Rabatten und Aktionen den statistischen Preisanstieg bremst, bleibt abzuwarten. Korrekturen nach unten seien möglich, so der Statistik-Chef. Es könnte aber beim Einmaleffekt bleiben.
Im September gab es einen erheblichen Preisanstieg beim täglichen Einkauf im Lebensmittelhandel. Das Preisniveau beim Mikrowarenkorb, der überwiegend Nahrungsmittel enthält, stieg im Jahresvergleich um vier Prozent. Ein deutliches Plus gab es im Vergleich zum September 2012 auch bei den Ausgaben für Erziehung und Unterricht (+4,1 Prozent).
Teuer kam auch das Laster: Alkohol und Tabak sogen um 3,9 Prozent mehr Geld aus dem Börsel. Richtig teuer ist im Vergleich zum Vormonat August der Kleider- und Schuhkauf geworden. Wegen des Endes des Abverkaufs gab es hier sogar ein Plus von 17,6 Prozent.
Die Preissteigerungen von 2,9 Prozent bei Restaurants und Hotels wurden vor allen durch höhere Ausgaben bei den Bewirtungsdienstleistungen von durchschnittlich +3,4 Prozent verursacht.
Preisdrücker waren diesmal vor allem die Treibstoffe mit –6,1 Prozent. Heizöl wurde immerhin um 5,5 Prozent billiger.
Derzeit befinden sich 791 Positionen im Warenkorb, die unterschiedlich gewichtet sind. Die größte Gruppe ist „Wohnen, Wasser und Energie“ mit 18,35 Prozent, gefolgt von Verkehr mit 13,92 und Nahrungsmittel und Getränke mit 11,76 Prozent.
DatensammlungPro Monat werden 39.500 Preise in 4200 Geschäften in 20 österreichischen Städten erhoben und verglichen. Künftig möchte die Statistik Austria vermehrt vorhandene Daten aus externen Datenbanken (z. B. Mobilfunk, Verkehr) auswerten.