Wirtschaft

Preise für Strom und Gas verfallen

Die Situation auf dem westeuropäischen Energiemarkt ist skurril: Während der wichtigste Erdgaslieferant, Russland, offen droht, als Antwort auf strengere Handelssanktionen der EU die Lieferungen zu stoppen, fällt der Preis für Gas im westeuropäischen Großhandel auf ein Zehn-Jahres-Tief. Der Strompreis ist seit Längerem auf Tauchstation.

"Offenbar glauben die Energiehändler nicht, dass es zu einem Gasliefer-Stopp kommt", sagt Walter Boltz, Chef der Energiemarktaufsicht E-Control, im Gespräch mit dem KURIER. Wegen der schwachen Konjunktur und dem Stillstand vieler Gaskraftwerke gebe es in Westeuropas Großhandel mehr als genug Gas. Zudem seien die Speicher randvoll (siehe Artikel unten). So mancher Energieversorger würde sich wohl eine kleine Gaslieferunterbrechung wünschen, damit er das gebunkerte Gas los wird.

Die Privatkunden, aber auch das Gewerbe in Österreich bekommen von den Tiefstpreisen derzeit allerdings nur wenig mit. "Auf dem Gasmarkt herrscht an der Preisfront derzeit totaler Stillstand", betont Boltz. Seit Jänner habe es keine Änderungen der Preise mehr gegeben. Private haben dennoch eine Chance, vom billigen Großhandelspreis zu profitieren.

Rabatte nutzen

Der Wechsel zu einem alternativen Lieferanten kann die Energierechnung erheblich senken. Meist sind es kleine, neue Anbieter, die Neukunden mit Rabatten umweben. Die derzeitige Nummer eins auf dem Gasmarkt ist dank hoher Neukundenrabatte gastino, ein Diskonter der E-Werke Wels. Die Ersparnis eines Haushalts mit 15.000 Kilowattstunden Jahresgasverbrauch ist bei einem Umstieg zu gastino beachtlich hoch: In Linz etwa beträgt sie sogar 275,30 Euro im Jahr. Generell zeigt sich, dass die traditionellen Anbieter in OberösterreichLinz AG und Energie AG Oberösterreich – österreichweit am teuersten sind. Die Oberösterreicher sind daher auch vergleichsweise wechselfreudige Energiekunden. Aber auch die Wiener Haushalte und jene in Niederösterreich zahlen bei ihren traditionellen Anbietern relativ viel. "Wer hier noch nicht gewechselt hat, kann nicht rechnen", ätzt ein Energie-Spezialist.

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Billigerer Strom

Auch bei Strom zahlen Oberösterreicher, Niederösterreicher und Wiener am meisten. Die Wien Energie hat allerdings für Oktober eine Preissenkung um zehn Prozent, die EVN eine um 9,8 Prozent angekündigt. Nach unten geht es mit dem Strompreis dann auch im Burgenland (minus acht Prozent) und im Jänner 2015 in Salzburg. Doch Achtung: Die Preissenkung betrifft nur den reinen Energiepreis, der etwa ein Drittel des Gesamtstrompreises ausmacht. Dazu kommen noch die Netzgebühren, Ökostromförderung, Steuern und Abgaben.

Der Wechsel zu neuen Anbietern ist übrigens ganz einfach: Unter www.tarifkalkulator.at den billigsten Anbieter suchen, Formular ausfüllen, ausdrucken, unterschreiben und abschicken. Den Rest erledigt der neue Lieferant innerhalb von drei Wochen.

Die Abhängigkeit Österreichs sowie vieler anderer EU-Länder vom Erdgas aus Russland ist ein heiß diskutiertes Thema im aktuellen Konflikt um die Ukraine. Walter Boltz, Vorstand der Energiemarktaufsicht E-Control ist in dennoch keiner Weise beunruhigt. „Österreich kommt auch ohne Russen-Gas über den Winter. Auch Deutschland dürfte kein Problem haben“, ist er überzeugt.

Der Hauptgrund: Die randvoll gefüllten Erdgasspeicher. 8,1 Milliarden Kubikmeter Gas lagern derzeit in den unterirdischen Speichern in Ostösterreich und in Oberösterreich. Das ist mehr als ein Jahresverbrauch.

Doch nicht das gesamte Gas wird von heimischen Gasversorgern gebunkert. Eine Milliarde Kubikmeter im Speicher Haidach in Oberösterreich gehört der russischen Gazprom. Auch die deutsche E.ON hat einiges in den oberösterreichischen Gaslagerstätten „Seven Fields“ gelagert. Wie viel das genau ist, gilt als Betriebsgeheimnis.

Sollte es zu gravierenden Gasversorgungsproblemen kommen, ist derzeit noch unklar, wie der Zugriff auf die Speicher funktioniert. Theoretisch könnte der Wirtschaftsminister per Krisen-Verordnung die Gas-Entnahme auf Österreicher limitieren. Praktisch sei das unwahrscheinlich, meint Boltz. In der Krise müssten alle solidarisch zusammenhelfen.

Im Stress

Die EU übt in einer Art Stress-Test für den europäischen Gasmarkt den Krisenfall. Bis Ende August mussten alle Mitgliedsländer ihre Notfallpläne nach Brüssel schicken. Dort wird geprüft, ob die Pläne auch im Ernstfall funktionieren können. Die EU muss dabei verhindern, dass die einzelnen Staaten gleichzeitig auf Gas aus einer Pipeline zugreifen. Oder: Sie muss sicherstellen, dass auch Länder wie Ungarn, die besonders stark vom russischen Gas abhängen, von anderen West-Staaten versorgt werden. Die Ergebnisse des Stresstest werden im Oktober nur in Auszügen veröffentlicht. Das meiste soll geheim bleiben.

Westeuropa kann nach Einschätzung von Boltz innerhalb von fünf bis sechs Jahren seine Gasversorgung so aufstellen, dass es Russland nicht mehr brauche. Flüssiggas und Schiefergas wären der Schlüssel.