Wirtschaft

Porr-Chef: "Das Saudi-Arabien der Alpen"

Am Donnerstag überraschte Porr, der zweitgrößte Baukonzern Österreichs, mit der Meldung, heuer einen Verlust vor Steuern von 70 bis 80 Millionen Euro zu bauen. Der KURIER sprach mit Karl-Heinz Strauss, der den Konzern seit gut einem Jahr lenkt, über die Hintergründe, was er daran "sehr persönlich" nimmt, welche Großaufträge er an Land ziehen will und dass die Porr eine Kapitalerhöhung plant.

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KURIER: Statt eines Gewinns plötzlich bis zu 80 Millionen Euro Verlust - was ist da schiefgegangen?
Karl-Heinz Strauss: Der Grund ist, dass vor allem in Ungarn, aber auch in Rumänien die öffentliche Hand nicht zahlt. Ein Beispiel ist die ungarische Autobahn M6, die wir mit einem Partner gebaut haben. Die Autobahn ist seit Herbst 2010 fertig. Durch schikanöse Methoden wird seither ein ordnungsgemäßes Abwickeln verhindert, wir warten noch immer auf unser Geld. Es geht aber auch um andere Straßen- und Brückenbaulose. Da werden Mängel behauptet, die längst keine mehr sind. Jetzt nehmen wir eine Wertberichtigung unserer Forderungen in Höhe von 90 Millionen Euro vor. Mit der Abschreibung haben wir Altlasten bereinigt. Die Abschreibungen heißen aber sicher nicht, dass wir von unseren Forderungen abrücken.

Wie wollen Sie zu Ihrem Geld kommen, über den Klagsweg?
Wir überlegen gerade, was zu tun ist. Voraussichtlich werden wir ein Schiedsgericht anrufen. Dinge, die die Porr verbockt hat, sehe ich ja ein, da darf der Kunde nicht darunter leiden. Aber ungerechtfertigte Dinge nehme ich sehr persönlich.

Werden Sie sich aus Ungarn zurückziehen?
Wenn wir nicht zu unseren Recht kommen, in letzter Konsequenz ja. Die Mitarbeiter dort haben sich aber sicher nichts vorzuwerfen.

Können Sie Mitarbeiter aus Ungarn woanders einsetzen?
Wir haben dort drei Mischanlagen und circa 400 Mitarbeiter. Wir stellen uns der Verantwortung für sie. Wir versuchen, viele davon nächstes Jahr in Berlin einzusetzen. Dort haben wir viele Hoch- und Tiefbauaufträge. Zum Beispiel werden wir dort ein neues Steigenberger-Hotel bauen.

In ganz Europa regiert das Diktat der knappen Staatskassen. Leidet das Baugeschäft darunter?

Operativ läuft es bei uns hervorragend. Per Ende Oktober hatten wir einen Auftragsbestand, der um 23 Prozent höher war als im Vorjahr, und um 41 Prozent höhere Auftragseingänge. Nächstes Jahr wird es in Österreich, Deutschland, Polen, Rumänien und Bulgarien weiter gut laufen. In der Slowakei, Ungarn, Kroatien und Slowenien erwarten wir weniger Geschäft. Ich bin grundsätzlich nicht pessimistisch, es gibt viele Ausschreibungen.

Kann eine Schuldenbremse in Österreich Großprojekte wie Tunnels gefährden?
Eine Schuldenbremse braucht eine aktive Wirtschaft, Konsum und Infrastruktur. Es wäre ein schlimmer Fehler der Regierung, wenn die Infrastruktur nicht auf dem neuesten Stand ist. Man kann sagen, ein Loch im Berg ist nicht sexy. Aber es
schafft Arbeitsplätze und sichert Jobs für den Wirtschaftsstandort.

Gilt das auch für Energieprojekte?
Natürlich. Es gibt mehr als vierzig mehr oder weniger baureife Energieprojekte, die mit Wasser zu tun haben. Wenn nur die Hälfte davon realisiert würde, hätte Österreich die Chance, mit sauberer Energieerzeugung das Saudi-Arabien der Alpen zu werden. Wir sollten das Geschenk der Natur nutzen und nicht Strom importieren.

Im Sommer hat die Porr den Großauftrag für Tunnel zum und vom Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 erhalten. Waren Sie sehr erleichtert, dass beim Volksentscheid am Sonntag die Mehrheit für den Bau des Bahnhofs war?
Ich habe immer geglaubt, dass am Ende die Vernunft siegt. Aber auch bei mir haben Sie den Plumpser gehört, weil mir ein Stein vom Herzen gefallen ist. Und selbstverständlich wird die Porr davon profitieren, weil solche Prestigeprojekte Referenzen sind.

An welchen Großaufträgen ist die Porr derzeit dran?
Wir kämpfen um einen Auftrag in St. Petersburg, wo ein Tunnel unter der Newa durch gebaut werden soll. Das gesamte Projekt hat ein Volumen über 800 Millionen Euro und wäre unser erster Russland-Auftrag. Die endgültige Entscheidung soll im nächsten halben Jahr fallen. Sollten wir den Auftrag nicht bekommen, werden wir unser Russland-Engagement sehr kritisch hinterfragen. Es ist alles sehr mühsam und schwierig dort.

Wird sich am Eigentümerkreis der Porr in näherer Zukunft etwas ändern?
Nein. Aber etwas Neues kann ich schon sagen. Die Eigentümer denken über eine Kapitalerhöhung nach. Ob die in ein oder drei Monaten kommt, weiß ich noch nicht. Einige Eigentümer haben schon zugestimmt, dass sie mitziehen. Ich auch, ich gehe als Beispiel voran (Strauss ist mit sechs Prozent an der Porr beteiligt, Anm.).

Zurück zu Altlasten der Porr. Wie geht es Ihnen damit, dass die Porr im Zusammenhang mit dem Büroturm Terminal Tower in Linz im Verdacht steht, Schmiergeldzahlungen geleistet zu haben? Auch wenn das vor Ihrer Zeit passiert ist ...
Wir sind an einer Aufklärung sehr, sehr interessiert und arbeiten mit den Behörden eng zusammen. Wir wollen volle Transparenz. Die Porr hat auch reagiert. Wir haben jetzt einen Ethik-Kodex. 2011 hat überhaupt eine neue Kultur und Strategie begonnen.

Die auch zum Abbau von Mitarbeitern geführt hat ...
Stimmt, ein paar Hundert Leute haben wir schon abgebaut, vor allem im Verwaltungsbereich. Für die Baustellen suchen wir aber Leute wie Bauleiter, Projektleiter bis hin zu qualifizierten Facharbeitern.

Welche Bauaufträge würden Sie sich vom Christkind wünschen?
Die Metro in Katar, das eine oder andere Fußballstadion in Russland und Katar und Straßen in Polen.

Porr: Der Milliarden-Verbauer

Eigentümer Der heimische Baukonzern ist zu 9,51 Prozent im Streubesitz (an der Börse). Gut 37 Prozent gehören der B&C Gruppe, rund 28,5 Prozent der Ortner-Gruppe, rund zehn Prozent der türkischen Renaissance-Gruppe, 8,8 Prozent der Vienna Insurance Group und rund sechs Prozent Karl-Heinz Strauss.

Bauleistung In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres verzeichnete der Porr-Konzern im operativen Baugeschäft deutliche Steigerungen im Auftragseingang (plus 36,6 Prozent ) und im Auftragsbestand (plus 13,8 Prozent). Die Bauleistung war mit 2,8 Milliarden Euro konstant.

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