Wirtschaft

Polytec fährt auf Asien ab

Nur mithilfe der Banken konnte im Jahr 2009 der oberösterreichische Zuliefer-Konzern Polytec mit immerhin 6500 Mitarbeitern überleben. Im KURIER-Gespräch zeigt sich Firmenchef Friedrich Huemer durchaus selbstkritisch. KURIER: Polytec war auf der Roadshow der Wiener Börse in London dabei. Wie war die Resonanz der Finanzwelt? Friedrich Huemer: Das Interesse an guten Bewertungen und interessanten Storys ist da, das haben wir schon im Vorjahr gemerkt. Auch die Kursbewegung am Tag nach der Roadshow hat das gezeigt, das Kursvolumen war doppelt so hoch wie üblich. Wie haben sich Umsatz und Ergebnis im Vorjahr entwickelt? Ich kann noch keine konkreten Zahlen nennen, aber sie liegen auf dem Niveau unserer Erwartungen vom Herbst (Umsatz 650 Millionen, EBIT-Marge 5,6 Prozent, Anm.) . Die Höhe der Dividende (die erste nach drei Jahren Pause, Anm.) steht noch nicht fest, aber es wird auch hier keine negative Überraschung geben.Wie ist das neue Geschäftsjahr angelaufen? Angesichts diverser Drohpotenziale kann man zufrieden sein. Jedoch merken wir auch bei der Auslastung in einzelnen Werken Rückgänge, aber sie sind nicht dramatisch. Die Stimmung ist nach wie vor relativ gut und wir sind vorsichtig optimistisch. Nach dem Verkauf der Interieur-Sparte haben wir zwar logischerweise einen Umsatzrückgang, aber die Profitabilität steigt.

Mit dem Kauf der Peguform 2008 ist Polytec in große Schwierigkeiten geschlittert. Haben Sie sich damals gedacht, dass der Konzern so rasch wieder schwarze Zahlen schreibt? Gedacht nicht, aber gehofft. Wir waren seit der Gründung bis Sommer 2008 verwöhnt von einer immer nach oben gerichteten Entwicklung. Und plötzlich waren wir abhängig von Banken. Die Abgabe meiner Stimmrechte war emotional nicht unbedingt einfach. Ich habe mir dann das Ziel gesetzt, spätestens in zwei Jahren aus der Situation heraus zu sein. Anfang 2011 habe ich das erreicht, indem ich die wesentlichen Kredite zurückgezahlt habe und ich dadurch wieder über meine Aktien frei verfügen konnte. Unterm Strich ist der Turnaround besser gelungen als erwartet.

Im Nachhinein betrachtet, würden Sie heute anders handeln? Wie bekannt, hab ich Polytec 1986 von null gegründet. Beim Aufbau war neben harter Arbeit, Gespür für Gelegenheiten und Risikobereitschaft sicherlich auch ein Quäntchen Glück notwendig. Dieses Glück wurde 2008 durch großes Pech kompensiert. Ich behaupte nach wie vor fest, damals keinen Fehler gemacht zu haben. Vielleicht mit der Einschränkung, dem übernommenen Management zu viel Vertrauen geschenkt zu haben. Was heißt das konkret für künftige Zukäufe? Ich bin heute sicher nicht mehr derselbe. Zwar habe ich noch das Gefühl, was Sinn macht, aber eine Entscheidung dieser Größenordnung sollte man vielleicht drei Mal mehr überdenken. Das heißt nicht, dass wir große Übernahmen scheuen würden. Wir möchten wieder zukaufen. Wir schauen uns auch Unternehmen an. Und welche? Wir sind zu sehr auf den Standort Deutschland konzentriert, das ist eindeutig ein Schwachpunkt der Polytec. Wir sind daher seit Monaten mit zwei Firmen in China und Indien im Gespräch, aber ob sich heuer etwas ergeben wird, ist offen. Wenn es gelingt, spielen wir aber nicht in einer anderen Liga, sondern verbreitern uns nur geografisch. Wir betreiben das nicht auf Biegen und Brechen.

Osteuropa ist kein Thema? Die Erweiterung der bestehenden Werke in Tschechien und der Slowakei ist ebenso denkbar wie Akquisitionen in dieser Region, ein neu errichteter Standort macht für uns keinen Sinn.Wie viel Mittel befinden sich in der Kriegskasse? Es stehen um die 50 Millionen Euro zur Verfügung. In Summe sind wir cash positiv, die Restrukturierung ist abgeschlossen und alle Bereiche sind positiv. Von Banken wollen wir nicht wieder abhängig sein, das werde ich mit Sicherheit verhindern. Das heißt aber nicht, dass man keine Kredite haben darf, ich würde sie heute von der Laufzeit anders strukturieren. Damit habe ich Zeit, um mich auf die Rückzahlung einzustellen. Wir haben aber nach wie vor ein gutes Verhältnis zu den Banken.Sie haben mit Kunststoffprodukten für die Industrie ein weiteres Standbein. Wie sind hier Ihre Erwartungen? Auf diesen Bereich entfallen zehn Prozent des Umsatzes und er wird leicht steigen. In der Vergangenheit haben wir hier bei Zukaufmöglichkeiten keine Beachtung geschenkt. Das ist heute anders. Ist Polytec von der Autoindustrie abhängig? Ja, aber ich sehe das nicht dramatisch negativ. Letztendlich ist die Branche von den Volumina und der Planbarkeit fast unvergleichbar. Selbst im Krisenjahr 2009 gab es Branchen, die viel größere Einbrüche verzeichnet haben. Wichtig ist es, bei den richtigen Kunden und Modellen dabei zu sein. Wie bewerten Sie die hohen Lohnabschlüsse in der Metallbranche? Sie sind verantwortungslos und höchstgradig gefährlich. Die Gewerkschaften denken nur sehr kurzfristig.

Zur Person Friedrich Huemer (54) begann nach der HTL in Wels 1977 als Laborant beim Pharmaunternehmen Laevosan.1978 wechselte er zum Baukonzern Swietelsky, 1982 zu SKG-Semperit. 1986 gründete er mit Gattin Ulrike Polytec. Kurz vor der Krise 2008 erwarb Polytec den deutschen Zulieferer Peguform. Der Zeitpunkt war schlecht, ein Jahr später musste Peguform an Stefan Pierer abgegeben werden. Die Banken erließen der Polytec Schulden von 60 Mio. Euro.