Pensionsmythen: Österreicher bei Antrittsalter übermäßig besorgt
Die Österreicher erwarten einen deutlichen Anstieg des Pensionsantrittsalter und sind damit pessimistischer als die Wissenschaft. Eine Umfrage von Gallup für das Wifo zeigt, dass davon ausgegangen wird, als Mann im Jahr 2060 erst mit 67,3 Jahren und als Frau mit 64,3 den Ruhestand antreten zu können. Die Wifo-Prognose antizipiert dagegen für beide Geschlechter ein Antrittsalter von 63,5 Jahren.
Wifo-Chef Christoph Badelt nahm das bei der Präsentation Donnerstagvormittag zum Anlass für eine kleine Spitze gegen die letzten Regierungen, die jeweils trotz steigender Lebenserwartung keine größeren Reformen eingeplant haben. Offenbar trauten die Menschen den Politikern stärkere Handlungen zu, als diese momentan ersichtlich seien.
Die Befragung ist Teil eines neuen Projekts des Wirtschaftsforschungsinstituts, das ideologisch erhitzte Diskurse in der Gesellschaft versachlichen will. Dabei wird von Gallup die Meinung der Bevölkerung (1.000 Befragte) zu volkswirtschaftlichen Themen erhoben und evidenzbasierten Informationen gegenübergestellt. Weitere Untersuchungen zu den Themen Abgabenquote, Pflegevorsorge sowie Klimapolitik und Ökosteuern folgen.
Durchschnittspension gut geschätzt
Zunächst waren aber die Pensionen an die Reihe, wobei für die Forscher auffällig war, dass die Österreicher bei dem "emotionalen Thema" sehr meinungsstark sind, also relativ selten "keine Angabe" zu den Fragen kam.
Realistisch sind die Befragten da, wenn sie auf die Höhe der Durchschnittspension schauen. 45 Prozent und damit die größte Gruppe schätzen sie mit 1.000-1.500 Euro ein. Tatsächlich liegt sie bei gut 1.300 Euro. Dafür werden die Befragten überrascht sein, dass der durchschnittliche Bruttolohn bei fast 3.200 Euro im Monat liegt. Denn gleich 70 Prozent hatten angenommen, dass er unter 2.500 Euro liegt.
Alter steigt, aber wie hoch?
Relativ klar ist den Österreichern, dass das gesetzliche Pensionsalter von 65 bei Männern bzw. 60 bei Frauen vor allem bei männlichen Beschäftigten mit der Realität nur bedingt zu tun hat. Bei den Männern gehen zwei Drittel und bei den Frauen die Hälfte davon aus, dass der durchschnittliche Rentner früher in den Ruhestand tritt.
Tatsächlich liegt der Antritt bei rund 61,5 (Männer) bzw. 59,5 Jahren (Frauen), wobei der vergleichsweise knappe Abstand daher kommt, dass Frauen zu drei Viertel erst mit dem gesetzlichen Alter gehen, Männer aber zu drei Viertel vorzeitig.
Gestiegen ist das faktische Antrittsalter in den vergangenen 20 Jahren bei beiden Geschlechtern nicht einmal um ein Jahr. Dass das gesetzliche Alter in den letzten 40 Jahren gar nicht nach oben gegangen ist, wusste übrigens nur ein Viertel der Befragten.
Unfinanzierbarkeit ist kein Thema
Überraschend nur 18 Prozent glauben, dass das Pensionssystem auf Dauer nicht finanzierbar ist. Der größere Teil nimmt an, dass durch einen späteren Antritt oder weitere Reformen das System stabilisiert wird. Das Wifo wiederum geht davon aus, dass die Pensionsausgaben in den kommenden 40 Jahren von 28 auf 30 bis 34 Prozent der Staatseinnahmen wachsen werden. Zum Vergleich: Für Gesundheit werden aktuell 15 Prozent aufgewendet.
Allerdings sind die Österreicher skeptisch, was die Preisentwicklung angeht. Die Mehrheit der Befragten von 58 Prozent glaubt, dass die Preise langfristig "stark ansteigen". Das Wifo rechnet hingegen mit einem vergleichsweise leichten Anstieg von zwei Prozent pro Jahr.
Besorgt: Mittleres Alter, konservativ
Insgesamt hat die Umfrage gezeigt, dass derzeit die mittlere Altersgruppe die größten Sorgen hat. Nach politischer Ausrichtung sehen die Lage rechte Wähler "mit deutlichem Abstand" am Negativsten. Überhaupt gebe es eine Tendenz, dass die Menschen pessimistischer sind, als es die Realität nahelegt, wie Badelt ausführte.
Das zeigt sich auch bei jenen Fragen, die in die Vergangenheit blicken. Zwar meint eine Mehrheit von 50 Prozent, dass sich der Lebensstandard für Erwerbstätige in den vergangenen 40 Jahren verbessert hat. Doch ist die Einschätzung für Pensionisten mit 41 besser zu 34 schlechter relativ ausgeglichen.
Lebensstandard verbessert
Dem stellt das Wirtschaftsforschungsinstitut einige Indikatoren entgegen, die eine deutliche Verbesserung nahe legen, etwa dass man 1980 für ein Herrenhemd noch über fünf Stunden arbeiten musste, jetzt aber nur noch zweieinhalb oder dass die Wohnfläche pro Person in dieser Periode von 37 auf 55 Quadratmeter gestiegen ist.