Wirtschaft

Penninger: "In verrückte Ideen investieren"

KURIER: Anlässlich der Fusion von Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium warnten Kritiker in Österreich vor einer "Ökonomisierung der Wissenschaft". Ein Problem?

Josef Penninger: Ich habe 13 Jahre in Amerika gearbeitet und habe diese Berührungsängste überhaupt nicht. Die Idee dort ist, dass der Staat die Universitäten zahlt, die Patente generiert und dann gemeinsam mit der Industrie etwas Neues entstehen lässt. Man muss natürlich wissen, worauf man sich einlässt.

Besteht in Österreich eine Gefahr durch diese Verknüpfung?

Penninger: Im Gegenteil! Wissenschafts- und Wirtschaftsminister Mitterlehner hat völlig recht: Es wäre gut, wenn mehr Organisationen wie die OMV dazu bereit wären.

Gerhard Roiss: Dazu etwas Persönliches: Beim Besuch meiner alten Schule fiel mir auf, dass der Chemiesaal noch wie zu meiner Schulzeit vor 30 Jahren aussah. Ich habe dem Direktor angeboten, ihn mit Hilfe unserer Tochter-Firma Borealis zu modernisieren. Doch die Schule lehnte ab, um nicht in Abhängigkeit von der Industrie zu geraten. Das war für mich erschütternd. Wenig später hat mir Josef Penninger stolz sein "Open Lab" gezeigt. Da habe ich ihn gefragt, ob man das nicht auch in Linz machen kann, um der Jugend die Faszination von Naturwissenschaften zu vermitteln.

Sie haben dann solche Labs gesponsert.

Roiss: Das Wort Sponsoring stört mich, darum geht’s nicht. Mir geht es um die gesellschaftspolitische Verantwortung und darum, kleine Dinge zu bewegen.

Aber es ist wohl auch keine ganz schlechte PR.

Roiss: Wir haben 300 Nachhaltigkeitsprojekte und reden wenig darüber. Generell müssen wir uns auf Innovation in der Bildung konzentrieren und nicht auf die Veränderung des Apparats.

Kann man, wenn die Industrie zahlt, denn wirklich ausschließen, dass dann nur noch geforscht wird, woran große Konzerne interessiert sind?

Penninger: Mir wurde nicht diktiert, was zu tun ist. Auch die Amerikaner wissen: Man muss in ein paar verrückte Ideen investieren, und das ist Grundlagenforschung. Dafür braucht es Freiheit.

Ist Österreich wirtschaftsfeindlich?

Penninger: Wien war vor 100 Jahren so reich, weil es fantastische Naturwissenschafter gab und Institute auch durch privates Sponsorgeld entstanden sind. Diese Philosophie ist uns leider abhanden gekommen. Wenn wir alle nötigen Mittel aus Steuergeldern kriegen – wunderbar. Aber die Realität schaut halt anders aus.

Sie gelten als Genie im Geldauftreiben – von privater und öffentlicher Hand ...

Penninger:... das würde ich mir wünschen!

Bei Ihren Wissenschafterkollegen löst das durchaus eine böse Nachrede aus.

Penninger: Als ich nach Österreich kam, war ich noch naiv, da hat es mich geärgert. Aber am Ende geht es nur darum, ein österreichisches Weltklasse-Forschungsinstitut aufzubauen. Da eckt man an.

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Als jemand, der extra aus dem Ausland geholt wurde, hatten Sie es sicher leichter, Geld von der Politik zu kriegen.

Penninger: Ich wollte einfach beste Wissenschaft machen, deshalb haben wir uns auch mit dem besten Forschungsinstitut auf unserem Gebiet, dem IMP, zusammengetan. Das wurde übrigens einst von der Industrie – von Boehringer Ingelheim – als philanthropisches Institut gegründet. Es wurde der Nukleus des besten Life-Science-Campus in Österreich mit mittlerweile 1500 Leuten, ein Player in Europa. Fast alle erfolgreichen Bio Techs sind hier angesiedelt.

Roiss: Ich finde die heimischen Diskussionen oft beklemmend. In Österreich will nur jeder zehnte 14-Jährige etwas Naturwissenschaftliches studieren, in Asien ist das fundamental anders. Die Wirtschaft braucht 200 Geologen im Jahr, ein wachsender Sektor. An der Montanuni Leoben werden aber nur 40 ausgebildet. Wir haben jetzt mit Leoben gemeinsam ein Masterprogramm aufgestellt. Natürlich rede ich nicht mit, was die an der Uni machen. Wenn Sie aber Wissenschaft und Marktnähe nicht zusammenbringen, dann fahren Sie vielleicht in die falsche Richtung.

Jetzt wird überlegt, Technikstudenten staatlich zu finanzieren, damit der Mangel behoben wird.

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Roiss: Das wäre doch der absurdeste Weg: "Ich gebe dir Geld, damit du das studierst." Ich muss junge Leute begeistern, damit sie das mit Leidenschaft studieren.

Sollten Naturwissenschaften in der Schule anders unterrichtet werden, etwa fächerübergreifend als "Life Sciences"?

Penninger: Ja. Das Wissen explodiert. Es gibt viele engagierte Lehrer. Aber es reicht nicht, nur immer wieder eine Einzelstunde anzubieten. Dort, wo es innovative Leute gibt, die ein bisschen anders denken, entstehen neue Industrien und Arbeitsplätze. Was wollen wir denn in Zukunft?

Roiss: Investieren wir lieber in 100 Open Labs als in 1000 neue Chemiesäle. Es muss ein breiteres neues Denken geben – und Vorausplanung: Was brauchen wir, wo werden Werte generiert? Die Industrie muss Geld für Innovation ausgeben, der Staat muss es erlauben.

Erlaubt die österreichische Politik denn genügend Innovation? Eine Kooperation der OMV mit der Montanuni, um nach umweltschonenden Varianten für Schiefergasgewinnung zu forschen, wurde sogar gesetzlich verboten.

Roiss: Dazu sage ich nur: Vor ein paar 100 Jahren wurde die Dampflok entwickelt und Österreich hat auf die Pferdeeisenbahn gesetzt. Es ist ein Fehler, neue Technologien zu ignorierten.

Gibt’s zu viele Tabuthemen in Österreich ?

Roiss: Die Technikfeindlichkeit ist ein Problem. Darum gibt es zu wenig Studenten dafür. Man muss bei den Jungen ansetzen.

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Penninger:In Stanford zum Beispiel werden die meisten Firmenneugründungen nicht von Professoren, sondern von Studenten getätigt. Dort herrscht eine völlig andere Dynamik. So einen Geist brauchen wir auch.

Roiss: Unternehmertum kann man nicht verordnen.

Kriegt die OMV eigentlich genügend gut ausgebildete Leute?

Roiss: Eines unserer Ziele heißt: "Skills to succeed". Deswegen arbeiten wir auch mit Josef Penninger zusammen. Der hat nichts mit Öl, Chemie oder Gas zu tun. Aber wir halten ihn für einen großen Multiplikator von Ideen.

Gibt es irgendetwas, das Österreich besser macht als Kanada?

Penninger: Die Akademie-Institute und unser Campus zum Beispiel.

Was hält Sie in Österreich?

Penninger: Dass ich mir mit Herzblut den FC Barcelona der Forschung aufgebaut habe. Jetzt will ich natürlich auch manchmal die Champions League gewinnen. Wir sind eine Insel, die in der internationalen Top-Liga mitspielt. Man regt sich in Österreich zwar immer auf, wie wenig Projekte öffentlich gefördert werden. Aber im Vergleich zu den USA und Kanada geht’s uns noch relativ gut.

Müsste die Wissenschaftspolitik nicht viel härter Akzente setzen und Geld umschichten?

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Penninger:Ich glaube, es muss die Freiheit der Forschung und des kulturellen Lebens geben. Das ist ganz wichtig. Aber wir wollen mit unseren offenen Labors Kindern zeigen, dass Biologie das Hippste überhaupt ist – wie Stammzellen funktionieren, dass man aus den Tiefen des Meeres völlig neue Organismen rausholt, wie daraus eventuell neue Medikamente entstehen könnten.

Roiss: Man schafft nicht Werte, indem man etwas verbietet oder mit Geld Studenten fördert.

Penninger: Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die ihren intellektuellen Diskurs auf der Grundlage von Naturwissenschaften führt und nicht auf Dingen, die man glauben kann oder nicht.

Geisteswissenschafter brauchen wir aber schon noch, oder?

Penninger: Ja, natürlich. In gewissem Sinne lehren die auch das Gleiche.

Im Gespräch: Wissenschaft und Wirtschaft
Josef Penninger Der Krebsforscher leitet seit 2003 das IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie) in Wien. Davor arbeitete er 13 Jahre lang in Kanada. Die OMV unterstützt sein Projekt der "Open Labs", um bei Schülern Begeisterung für naturwissenschaftliche Fächer zu wecken. Vier gibt es bereits.

Gerhard Roiss: Seit 2011 ist der Manager OMV-Generaldirektor. Er stammt wie Penninger aus Oberösterreich. Seine Wirtschaftsausbildung absolvierte Roiss in Österreich und den USA. Der börsenotierte Konzern OMV sponsert Bildungsinitiativen und kooperiert mit der Montanuni Leoben.