Karas: "Nettozahler ist das Unwort der EU“
Die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 gilt als erster großer Dominostein der Finanzkrise. Fünf Jahre später sagt Othmar Karas: „Auch wenn man Einzelfälle nicht ausschließen kann: In dieser Form, mit diesen Auswirkungen, dürfte so etwas heute nicht mehr passieren. Auch den Fall Hypo dürfte es so nicht mehr geben.“ Karas, Leiter der ÖVP-Delegation im EU-Parlament und dessen Vizepräsident, ist einer der Hauptverhandler des Parlaments, um die Krise und den Finanzsektor in den Griff zu bekommen. Seine Bilanz: „Es ist viel gelungen, aber wir sind nicht fertig.“
Global gesehen waren die Eigenkapitalregeln die „größte Regelung“: „Jetzt müssen die Banken doppelt so viel Eigenkapital ständig zur Verfügung haben, damit sie nicht beim ersten Lüfterl dem Steuerzahler in die Tasche greifen.“ Bei den Banker-Boni sei ein „Kulturwandel“ eingeleitet worden – sie sind künftig begrenzt. Noch wichtiger sei die einheitliche Bankenaufsicht mit Durchgriffsrecht: Die EZB darf künftig bei Krisenbanken das Ruder übernehmen – bis hin zur Auflösung.
Wichtige Schritte, doch insgesamt zu langsam, sagt Karas: „Die Frage ist nicht, was zu geschehen hat, sondern ob die Politik den Willen und den Mut hat, es zu tun.“ Etwa bei der Bankenunion: „Die muss mit gutem Willen bis Sommer 2014 erledigt sein.“ Dazu gehören auch ein Insolvenzrecht für Banken, ein Abwicklungsfonds und eine gemeinsame Einlagensicherung.
Langfristig fordert Karas im Krisenfall mehr Rechte für die EU. „Die EU sollte die gleichen Rechte gegenüber den Staaten haben wie Bundesländer gegenüber Gemeinden – oder der Bund bei der Verstaatlichung einer Bank.“ Dafür braucht es aber einen neuen EU-Vertrag.
Solidarität und Profit
Zur Sorge, Österreich müsse als reiches Land stets für ärmere mitzahlen, sagt Karas: „Wir solidarisieren uns, aber wir profitieren auch. Sechs von zehn Euro verdient Österreich im Export. Deswegen ist der Begriff Nettozahler für mich das Unwort der EU. Unterm Strich profitieren wir.“