Wirtschaft

Osteuropa bleibt Risiko für heimische Banken

Das Volumen der faulen Kredite, die die heimischen Banken in den Büchern haben, könnte im Zuge des bevorstehenden Banken-Stresstests der EZB noch ansteigen. Das befürchtet zumindest die US-Ratingagentur Moody’s. Ein Grund dafür ist das hohe Volumen an Fremdwährungskrediten in Osteuropa.

Solche Portfolios dürften – glaubt Moody’s – reklassifiziert werden oder es könnte eine zusätzliche Unterlegung mit Eigenkapital notwendig werden. Wie umfangreich die „Anpassungen“ bei den Problemkrediten ausfallen können, wollte Moody’s in seiner Bonitätsbewertung der heimischen Banken am Mittwoch nicht beziffern.

Risiko bleibt hoch

Generell wertet Moody’s im jüngsten Rating das starke Osteuropa-Engagement und die Russland/Ukraine-Krise als hohes Risiko für die heimischen Banken. Heuer könnten rund elf Prozent der Kredite problematisch werden, daher belassen die Experten der Rating-Agentur den Ausblick weiterhin bei negativ.

Die Banken hätten auch nur beschränkte Kapazitäten, Verluste aufzufangen, weil die Gewinne niedrig und die Kapitalausstattung geringer sei als in anderen europäischen Instituten. Zum negativen Ausblick beigetragen hat auch die Erwartung, dass die Bereitschaft der Regierung, notleidende Banken zu unterstützen, sinkt. Und die Unsicherheit, ob und wie sich Aktionäre und Kreditgeber künftig an Banksanierungen beteiligen sollen.

Kapitalpuffer

Die heimische Finanzmarktaufsicht (FMA) will die Analyse von Moody’s nicht kommentieren. Allerdings bewerten auch die heimischen Aufseher das Risiko durch die Ukraine-Krise höher als bisher. Die in der Ukraine und in Russland tätigen Banken müssen seit dem 1. Quartal 2014 einen zusätzlichen Kapitalpolster bilden. Außerdem müssen sie der FMA öfter als bisher über den Geschäftsverlauf in diesen Ländern berichten.
Betroffen davon sind vor allem die Bank Austria, die Erste Group und die Raiffeisen Bank International (RBI). Über das Ausmaß des Kapitalpuffers schweigt sich die FMA allerdings aus. Wenn sich die Lage entspannt, können die Auflagen wieder zurückgenommen werden.

KURIER: Wie wirkt sich die verworrene Lage in der Ukraine auf eine Retailbank und ihre Kunden aus?

Greg Krasnov: Wir sind mit politischer und wirtschaftlicher Instabilität konfrontiert. Unsere Währung (Hrywnja oder Griwna) ist deutlich abgewertet, sodass die Kunden vorsichtig gegenüber Banken agieren. Sie nehmen ihr Geld nach Hause und legen es unter die Matratze – 15 Prozent der landesweiten Sparguthaben wurden in letzter Zeit von der Bank genommen. Zudem hat sich das Kreditrisiko innerhalb von drei Monaten verdoppelt. Es gibt viele Menschen, die unter einem Zahlungsverzug der Löhne leiden. Wir halten uns darum mit neuen Produktionskrediten zurück und warten darauf, dass sich die Situation stabilisiert.

Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, um das Vertrauen der Kunden wiederzugewinnen?

Wir vermitteln, dass wir ein seriöser Betrieb sind und auch in der momentanen Krise die Kunden nicht hängen lassen. Die Ukrainer schauen nun sehr darauf, welche Bank besonders vertrauenswürdig ist. Wir würden gerne einen neuen Rahmen für Banken in der Ukraine schaffen, das Geschäft transparenter und westlicher machen.

Die ukrainische Nationalbank erwartet Hilfskredite von der Weltbank und dem IWF. Welchen Effekt hat dies für normale Bankkunden in der Ukraine?

Die wichtigste Wirkung ist, dass es endlich positive Nachrichten gibt. Denn derzeit werden wir ständig nur mit schlechten News konfrontiert. Wenn die Ukraine Ende Mai, Anfang Juni dieses Geld bekommt, kehrt das Vertrauen der Konsumenten zurück. Zudem wird der Staat wieder seine Gehälter zahlen können.

Wie sehen Sie die Lage auf der Krim? Sie haben dort Ihre Filialen geschlossen – was ist mit dem Osten der Ukraine?

Das aktuelle Problem mit der Krim besteht darin, dass überhaupt nicht klar ist, wie man als Bank dort arbeiten kann. Dies gilt auch für diejenigen, die das wollen. Für die Ukrainer ist es weiterhin besetztes Territorium. Die Russische Föderation verlangt, dass jede Bank aus der Ukraine eine russische Banklizenz beantragt. Das kommt für uns selbstverständlich nicht in Frage. Zudem können wir kein Bargeld dorthin bringen. Es ist also einfacher, die Zweigstellen zu schließen. Wir warten auch noch auf eine Erklärung von Kiew, wie ukrainische Banken dort arbeiten können. In der Südostregion der Ukraine sind wir derzeit zurückhaltend. Es wäre nicht vernünftig, das Kreditengagement zu erhöhen, wenn ein geopolitisches Risiko droht.

Stehen Sie einer Partei nahe?

Wir sind vollkommen unparteiisch. Doch zur jetzigen Situation mit Russland beziehen wir Stellung, denn hier handelt es sich um eine Aggression von außen gegen die Ukraine. Wir boykottieren auch russische Güter und Personen, die Russland unterstützen. Denn wir wollen nicht die Volkswirtschaft eines Aggressors stärken.

Haben Sie eine Botschaft an die Leser im Westen?

Der größte Fehler, den Europa und die USA begehen, ist, wie langsam sie sich mental anpassen. Europa mag noch so sehr seine Handelsverluste mit Russland bedauern. Es denkt aber nicht über die geopolitischen Verluste nach, die Russland als neugeborene imperiale Großmacht verursachen könnte. Hier in der Ukraine sind wir an der vordersten Front. Wir sind nun zurück in die späten 1930er-Jahre gefallen. Und darum: wenn man es mit einem Aggressor zu tun hat, macht Appeasement (Abwiegeln und Beschwichtigen, Anm.) keinen Sinn.