Offener Brief an Bundeskanzler Kurz: Industrielle fordern "Luft zum Atmen"
Von Kid Möchel
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
" Österreich wird auf Minimalbetrieb herunterfahren", sagten Sie am 10. März. Bald darauf wurden Veranstaltungsverbote und Ausgangsbeschränkungen verhängt, Bildungseinrichtungen, Geschäfte und Restaurants geschlossen und Unternehmen aufgefordert, ihre MitarbeiterInnen im Home Office arbeiten zu lassen.
Die Bekämpfung der COVID-19 Pandemie bestimmt seit Wochen alles politische Handeln. Und das mit gutem Grund, denn niemand wollte und will Zustände wie in Italien, Spanien oder Frankreich. Ohne Zweifel sind wir erfolgreich in der Bekämpfung der Pandemie, die Menschen als auch wir Unternehmer haben die Einschränkungen kollektiv mitgetragen. Aber die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sind verheerend und gefährden unsere Zukunft bald mehr, als es das Virus selbst tut.
Daher fordern wir mehr Weitsicht, Transparenz, Augenmaß und vor allem Offenheit. Wir sind Unternehmer und übernehmen jeden Tag Verantwortung. Dass wir das können, beweisen wir seit vielen Generationen. Wir unterstützen mit unseren Industriebetrieben die Bekämpfung des Coronavirus seit Wochen. Aber wir brauchen keine Bevormundung, sondern übernehmen und leben Eigenverantwortung (wenn nötig aber auch mit Konsequenzen für schwarze Schafe).
Wir appellieren an Sie und die gesamte Bundesregierung:
- Die soziale Marktwirtschaft, Unternehmen und Beschäftigte gemeinsam, bilden das finanzielle Rückgrat des Gesundheitssystems.
- Im Expertenrat der Regierung müssen Ökonomen, Sozialexperten und Psychologen gleichberechtigt eingesetzt werden, Österreich darf nicht nur von Virologen und Mathematikern gelenkt werden.
- Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungen sind transparent darzulegen, Pro- und Contra-Stimmen aufzuzeigen und abzuwägen.
- Liefern Sie damit mündigen Menschen eine Basis für ihre Entscheidungen, um eigenverantwortlich zu handeln. Zu Beginn der Krise war sicher Geschwindigkeit ausschlaggebend und nicht viel Zeit für Erklärungen und Diskussionen. Das darf nun aber nicht mehr als Argument gelten.
- Kurzarbeit und Liquiditätshilfen sind schnell wirksame Mittel, aber es braucht vor allem auch mittelfristige Perspektiven, eine positive Stimmung und Konjunkturprogramme, die die Wirtschaft jetzt wieder ankurbeln, nicht erst in zwei Jahren. Zur Vermeidung von „Warteeffekten“ sollten diese aber erst mit deren Start kommuniziert werden.
- Gesellschaft und Wirtschaft brauchen „Luft zu Atmen“: freie Bewegung, offene Geschäfte, Restaurants, Industrie- und Gewerbebetriebe, Schulen und Universitäten – bei gleichzeitig klaren Sicherheitsmaßnahmen.
- Die gesamte öffentliche Verwaltung, von der Justiz bis zu den Gemeinden, sollte umgehend wieder zur Gänze geöffnet und für Wirtschaft und Gesellschaft leistungsbereit sein.
- Europa muss geeint agieren und es braucht rasche Lösungen für den Grenzverkehr mit unseren wichtigsten Handelspartnern und Nachbarländern.
- Wir brauchen keine Angstparolen, sondern Zuversicht und Zukunftspläne.
- Bringen wir Österreichs Wirtschaft rasch und vernünftig wieder in Betrieb, nur so sichern wir die Zukunft von uns allen!
Unterzeichnet von Eigentümern und Managern österreichischer Industrieunternehmen:
Hubert Bertsch, Johannes Collini, Stefan Ehrlich-Adám, Roland Feichtl, Karlo Fink, Christoph Hinteregger, Christoph Jordan, Max Kloger, Christian Knill, Stephan Kubinger, Dieter Lutz, Clemens Malina-Altzinger, Dieter Nemetz, Johann Michael Offner, Bernward Pichl, Heinz Pöttinger, Manfred Santner, Josef Stiegler, Thomas Welser, Karlheinz Wex