Die Konjunkturfahrt wird ruckeliger
Von Christine Klafl
Vom leichten Schneefall vor den Fenstern fühlt sich Martin Kocher, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), inspiriert. Er vergleicht die Entwicklung der heimischen Wirtschaft mit einer Skiabfahrt. Die Fahrt werde ruckeliger, aber es drohe keine Mausefalle. „Vielleicht eine Traverse“, sagt Kocher. In Zahlen ausgedrückt: Nach einem Plus von 2,7 Prozent heuer wird sich das Wachstum in den kommenden beiden Jahren auf 1,6 bis 2,0 Prozent verlangsamen (siehe Grafik).
„Die Zahlen für Österreich sind aber weiterhin gut“, betont Kocher. „Das ist eine Konjunkturabkühlung auf hohem Niveau“, sagt auch Christoph Badelt, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo). Auch sein Vergleich führt in die Berge: „Es sind Wolken zu sehen, aber noch weiter weg und keine schwarzen. Die Freude am Bergsteigen ist dadurch nicht getrübt.“
Weniger Arbeitslose
Auch bei anderen Prognosen sind sich die beiden Wissenschafter einig: Der private Konsum wird sich gut entwickeln, die Inflation wird im Zaum bleiben und die Arbeitslosenrate wird weiter etwas sinken. „Man darf aber nicht vergessen, dass wir noch immer von bis zu 360.000 Arbeitslosen reden. Der Sockel ist höher als vor der Krise“, warnt Badelt. Es müsste viel mehr für Qualifizierung getan werden. „Wir müssen auch in der Bildungspolitik darauf achten, dass mehr Qualifizierte auf den Arbeitsmarkt kommen.“
100.000 Stellen
Heuer ist die Beschäftigung immerhin um 2,5 Prozent gestiegen. „Das sind rund 100.000 Stellen“, so Kocher anerkennend. Dass viele Unternehmen unter Fachkräftemangel leiden, sei durch die gute Konjunktur bedingt. „Wenn die Babyboomer in den kommenden Jahren in Pension gehen, haben wir aber ein strukturelles Problem“, sagt Kocher. Deutschland sei dieses Problem bereits angegangen. Dort ist ein Gesetz in Planung, das qualifizierte Zuwanderung ermöglichen soll. Vielleicht eine Idee auch für Österreich, überlegt Kocher.
Steuerreform
Die weiterhin relativ gute Konjunktur sorgt für gute Steuereinnahmen. Bis zum Jahr 2020, dem Jahr der geplanten Steuerreform, könnte der Überschuss im Budget auf bis zu 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Badelts Kalkulation: Aus diesem Überschuss kommen rund 1,5 Milliarden Euro. Der Familienbonus, der dann schon voll zum Tragen kommt, steht für weitere 1,5 Milliarden Entlastung. Soll es eine Steuerreform mit Fünf-Milliarden-Gewicht werden, „bleibt eine Herausforderung von zwei Milliarden“, sagt Badelt. Offen ist, wo die herkommen sollen. Bei schwächer werdenden Konjunktur sei auch vielleicht mehr nötig, wenn die Steuereinnahmen nicht mehr so üppig fließen.
Entlastung
Im internationalen Vergleich ist der Faktor Arbeit in Österreich stark belastet. Eine Entlastung hier sollte bei der Steuerreform „Priorität Nummer 1 haben, Nummer 2 dann die Entlastung von Unternehmen“, fordert Kocher. Badelt schließt sich dem an und betont zudem, dass besonders die kleineren Einkommen entlastet werden sollten. „Das schafft Kaufkraft.“ Bei der Entlastung kleiner Einkommen „muss man aber aufpassen, dass man damit nicht Teilzeit fördert“, warnt IHS-Experte Helmut Hofer. Es gebe internationale Beispiele, wo die Entlastung zum Teil an Vollzeitstellen gekoppelt ist.