Wirtschaft

Österreichs Ratings sind noch viel zu gut

Österreichs Kreditwürdigkeit wird von den großen Ratingagenturen zu positiv beurteilt, sagt René Hermann, Partner bei Independent Credit View (I-CV). Die kleine Schweizer Agentur gesteht Österreich seit 2010 nur die Bewertung AA– zu. Das ist die viertbeste Note und gleich zwei bis drei Stufen schlechter als die Bewertungen bei Moody’s, Fitch (AAA) und Standard&Poor’s (AA+). Auch Luxemburg, Dänemark und Frankreich würden zu optimistisch gesehen.Das begehrte Triple-A verdienten überhaupt nur vier Staaten, die regelmäßig ausgeglichen budgetieren oder sogar Überschüsse schaffen, nämlich Rohstoffriese Norwegen, Singapur, Schweden und die Schweiz. Deutschland ist bei I-CV mit AA+ benotet.

Österreich fehlt zur Spitze allerdings mehr als nur Erdöl: Die schlechtere Bonität liege auch an steigenden Pensions- und Gesundheitskosten und hohen "versteckten" Schulden. Momentan sieht I-CV das Rating stabil. Sollten jedoch die Fiskalreformen verschleppt werden und die Schuldenquote auch nach 2015 ansteigen, würde eine Abstufung drohen.

Ausgaben kürzen

An Österreich schätzt Hermann die politische Stabilität, gute (duale) Ausbildung und die breit aufgestellte, wettbewerbsfähige Wirtschaft. Es seien somit "alle Zutaten vorhanden, um ein AAA zu schaffen", sagt Hermann. Dazu brauche es aber den Willen zu Reformen. Und das heißt: schlankere Verwaltung und weniger Ausgaben. Die Staatsquote von 52,3 Prozent des BIP werde nur noch von den nördlichen Ländern und Frankreich übertroffen. Brisant ist die I-CV-These, wonach 20 Prozent des BIP ausreichen sollten, damit ein Staat seine Kernaufgaben wie Grundversorgung, Infrastruktur, Bildung oder Gesundheit erfüllen kann. Diese Staatsquote schaffen nämlich gerade einmal Singapur, Hongkong und die Philippinen. I-CV wurde 2003 gegründet und wird – anders als die Branchenriesen – nicht von den Anbietern, sondern von den Käufern von Wertpapieren bezahlt. Dadurch läuft die Agentur nicht Gefahr, in Interessenskonflikte zu geraten.