Österreich praktisch frei von Atomstrom – auf dem Papier
Von Christine Klafl
Die Bilanz, die der Regulierer E-Control am Montag vorlegte, schaut hervorragend aus. Laut dem "Stromkennzeichnungsbericht" war der an heimische Kunden gelieferte Strom im Vorjahr praktisch frei von nuklearer Energie. Der Anteil erneuerbarer Energieträger wie Wasser, Wind oder Sonne stieg von 78,6 auf 89,1 Prozent, jener von fossilen Energieträgern sank von 14,35 auf 10,36 Prozent. Mit "Graustrom" wird jener Strom bezeichnet, dessen Herkunft unbekannt ist und daher nach dem europäischen Strommix auch Atomenergie enthält. Diese "graue Energie" machte im Vorjahr nur noch 0,27 Prozent der Stromlieferungen an die heimische Kundschaft aus – nach 6,8 Prozent im Jahr davor. "Rechnerisch ist Österreich nahezu atomstromfrei, dieses Thema war vielen Österreichern ein Anliegen", sagte E-Control-Vorstand Martin Graf. "Strom hat nun endgültig durchgehend ein Mascherl."
Kritik
Das durchgehende Mascherl zeigt allerdings nicht immer, was wirklich dahinter steckt. Die Lieferanten müssen ihren Strom mit Zertifikaten kennzeichnen. In der EU sind diese Zertifikate getrennt vom Strom handelbar. Dadurch sei es möglich, saubere Wasserkraftzertifikate zu kaufen und auf Atomstrom zu kleben, ärgert sich Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft. Solange es hier keine Änderungen gebe, seien die Herkunftsnachweise eine Mogelpackung.
Tatsächlich stammen gut 69 Prozent der Herkunftsnachweise aus Österreich (nach 73 Prozent im Jahr 2013). Aus Norwegen stammen mehr als 18 Prozent. Norwegen zählt zu jenen Ländern, in denen es keine Verpflichtung zur Stromkennzeichnung gibt. Saubere Zertifikate können von den Norwegern daher locker verkauft werden.