Ökonomin: „Das Wichtigste ist, dass Stabilität geschaffen wird“
Unmittelbar sei für Österreichs Wirtschaft kein Schaden aus der Regierungskrise zu erwarten. Viel hänge aber davon ab, wie man die Situation bewältigt, sagt Margit Schratzenstaller, Vizechefin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), zum KURIER: „Das Wichtigste ist, dass man Stabilität schafft und es eine handlungsfähige Übergangsregierung gibt.“
In den Reaktionen internationaler Kollegen auf das Ibiza-Video habe sich Unverständnis widergespiegelt. Solche Zustände seien „nicht tragbar“. Alle Umstände müssten aufgeklärt werden und beteiligte Personen sich aus der Politik zurückziehen.
Prognose unbeeinflusst
Auf die Wirtschaftsprognose hatte das überraschende Regierungs-Aus keine Auswirkungen: Dort würden nur bereits beschlossene Gesetze berücksichtigt.
Am Mittwoch veröffentlichte das WIFO seine jüngste Schätzung fürs erste Jahresviertel 2019. Die fiel verhalten positiv aus: Die Wirtschaft macht zwar aktuell keine allzu großen Sprünge, der Dämpfer ist aber nicht so stark wie befürchtet.
So wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahresabstand um 1,4 Prozent – zuletzt waren 1,1 Prozent Plus erwartet worden. Vor allem der Konsum und Investitionen, insbesondere in der Bauwirtschaft, waren noch stark.
Mittelfristig Zinswende
Heikel sieht Schratzenstaller, dass angekündigte Reformen auf Eis lägen, etwa die Steuerentlastung. Es sei an der Übergangsregierung, Milliardengeschenke durch Mehrausgaben und Wahlzuckerl, wie es sie 2008 gegeben hatte, zu verhindern.
Das sei verführerisch: „Österreich ist einer guten Position, weil es erstmals einen Budgetüberschuss erzielt.“ Dieser Spielraum werde aber gebraucht, um die versprochene Steuerentlastung zu finanzieren.
Schratzenstaller würde sich wünschen, dass die nächste Regierung die vermisste Ökologisierung im Steuersystem nachholt. Nach dem Motto: Flugtickets werden wegen einer Kerosinsteuer teurer, dafür gibt es generell mehr Geld im Börsel.
Zinswende kommt
Eine Zinsanhebung im Euroraum hängt laut Schratzenstaller unter anderem davon ab, wie gut oder schlecht es der Weltwirtschaft geht. Mittelfristig wird aber ein deutlicher Zinsanstieg prognostiziert.
Das Ergebnis der EU-Wahlen hat die Ökonomin unterdessen „positiv beeindruckt“. Diese hätten eine deutliche proeuropäische Mehrheit ergeben – und ein „klares Signal, dass Klimapolitik eine größere Rolle spielen soll“.