Wirtschaft

Öko? Wurst! Wursthersteller und andere Betriebe setzen auf Umweltschutz

Der aktuelle Risikobericht des Weltwirtschaftsforums (WEF) hat viele wachgerüttelt: Erstmals wurde der Klimawandel und die damit verbundenen Wetterextreme und Naturkatastrophen zum größten Risiko für die Weltwirtschaft eingestuft. Der Ruf nach einer Nachhaltigkeitsstrategie für die Wirtschaft wird lauter. Aber wie „grün“ sind Österreichs Betriebe eigentlich? Findet hierzulande bereits ein Umdenken statt?

„Es hat ein deutlicher Wandel eingesetzt“, sagt Karl Resel, Senior Manager der Agentur Denkstatt, die Betriebe bei Umweltthemen berät. Berichte über Klimawandel hätten dazu ebenso beigetragen wie neue Regularien von der EU. So müssen Börsefirmen, Banken und Versicherungen eigene Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Ein weiterer Treiber seien Konzerne, die eine nachhaltige Lieferkette einfordern. „Kleinere Zulieferer, die im Geschäft bleiben wollen, müssen da mitmachen“, weiß Resel, „Österreichs Wirtschaft ist sehr exportorientiert, das hat daher sehr viel bewegt“.

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Umweltperformance rückt in den Fokus

Besonders bei innerbetrieblichen Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Umweltperformance seien heimische Betriebe sehr aktiv, bestätigt Wolfgang Wimmer, TU-Wien-Wissenschafter und Geschäftsführer der Ecodesign Company. Vergleiche mit anderen Ländern seien in diesem Bereich zwar schwierig, Wimmer verweist aber auf das EU-Öko-Audit EMAS. Bei diesen freiwilligen, recht strengen Zertifizierungen für nachhaltiges Umweltmanagement liegt Österreich weltweit sogar auf Platz vier.  

Auch die Sensibilität in Sachen „grüner Produktion“ sei größer geworden, bestätigt der Experte. „Der Fokus geht weg von der eigenen Produktion hin zur Umweltperformance der eigenen Produkte. Wie viele Ressourcen und Energie sind für mein Produkt erforderlich? Welche Problemstoffe enthält mein Produkt? Diese Fragen kommen vermehrt in der Vordergrund, auch in den Umweltabteilungen der Betriebe“, so Wimmer.

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Regierung fördert Klimaschutzprojekte

Eine üppige Förderlandschaft wie es sonst nur in wenigen Ländern gibt, erleichtert den Betrieben diverse Projekte. So erfreut sich die Klimaschutz-Mitmachbewegung der Regierung, klimaaktiv, regen Zulaufs. Sie unterstützt Betriebe beim Energiesparen oder bei Mobilitätskonzepten. 250 Vorzeigeprojekte – wie z.B. Boehringer Ingelheim oder Wiesbauer (siehe Beispiele) sind inzwischen ausgezeichnet worden.

Bei der Mobilitätsinitiative klimaaktiv mobil machen mehr als ein Drittel der 500 größten heimischen Unternehmen mit. Das Engagement reicht von der Installation von betrieblichen Elektro-Ladestationen über die Förderung von Radfahrprojekten bis hin zu umfassenden Beratungen hinsichtlich klimafreundlichen Mobilitäts- und Logistikmanagements.

Umwelt- Maßnahmen schaffen 360 Mio. Euro Wertschöpfung


Ein Vorreiter-Bundesland ist hier Vorarlberg. So wurden beispielsweise im Rahmen des Projektes „Pendlermobilität“ (PEMO) 28 Firmen gefördert, die sich des Themas besonders annehmen. Ein Beispiel ist der Leuchtenhersteller Zumtobel, der unter anderen mehr als 200 Dienst-E-Fahrräder für seine Beschäftigten angeschafft hat.
 
Eine „grüne Agenda“ verfolgen auch die 95 Klima- und Energie-Modellregionen in Österreich, ein Klimaschutzprojekt des Klimafonds. Ihre langfristige Vision: 100 Prozent Ausstieg aus fossiler Energie. In den Modellregionen sind auch die Betriebe gefordert, mehr für die Umwelt zu tun.

Durch Förderungen werden 12.400 Projekte unterstützt


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Umwelttechnik als Job-Motor

Für Umweltexpertin Monika Langthaler von der Agentur brainbows führt ein gesunder Mix aus Förderungen und ordnungspolitische Maßnahmen bis hin zu einem ökologischen Steuersystem am ehesten zum Nachhaltigkeits-Ziel. Als Beispiel nennt sie das Abfallwirtschaftsgesetz, dessen Umsetzung vor Jahren eine Dynamik im Bereich der Umwelttechnologien auslöste.

Der Sektor Umwelttechnik beschäftigt heute mehr als 30.000 Menschen und ist ein Exportmotor. Unternehmen rund um Abwasserreinigung und -aufbereitung sind weltweit erfolgreich. Die Salzburger SFC Umwelttechnik GmbH etwa wurde mit ihrer „Kläranlage der Zukunft“ heuer für den Energy Globe World Award 2018 nominiert.

Wiesbauer: Im Familienbetrieb sind Umweltthemen Chefsache

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Im Familienbetrieb schaut man auf die Umwelt: aus Gründen der Effizienz und weil es Ehrensache ist. Das Plastiksackerl etwa, wurde längst verbannt.

Beim Wursterzeuger Wiesbauer haben Energieeffizienz und erneuerbare Energien einen hohen Stellenwert. Das neue Blockheizkraftwerk deckt die Grundlast des Dampf- und Heißwasserbedarfs in der Produktion ab. Der Erdgaskessel wird nur noch für Energiespitzen  genutzt.  Die Umweltthemen sind Chefsache. Thomas Schmiedbauer: „Ich  sage, wir machen da was. Meine Mitarbeiter setzen dann um.“

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Das Engagement für die Umwelt geschieht aus zweierlei Gründen: „Natürlich streben wir nach Effizienz. Es sollte aber auch in der Natur des Menschen liegen, auf sein Umfeld zu achten.  Schon mein Papa hat ein Biotop mit 20 Karpfen vor die Firma gebaut, das war unser Löschwasser. Ich führe diese Gedanken fort.“  Weitere Maßnahmen: „Wir  wollen Plastik und Überverpackungen reduzieren“, so Schmiedbauer. Das Plastiksackerl gibt es bei Wiesbauer seit zwei Jahren nicht mehr.    

Gugler: Erneuerbare Energie in der Produktion

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Der Unternehmer Ernst Gugler ist mit seiner Melker Druckerei aus ökologischer Sicht weltweit führend. Seine Drucke sind frei von Giftstoffen.

Die Druckerei Gugler in Melk war weltweit die erste, die nach dem Cradle2Cradle-Prinzip druckt. „Vereinfacht gesagt heißt das, dass bei uns alle Druckkomponenten frei von Giftstoffen sind“, sagt Unternehmenschef Ernst Gugler. „Und zwar wissenschaftlich nachweislich, unsere Lieferanten müssen ihre Rezepte offenlegen.“ Noch immer sind viele Farben im Umlauf, die Mineralöl enthalten, das dann letztlich im Altpapier landet, weiß der Experte.

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Aber nicht nur bei seinen Druckprodukten setzt Gugler auf  Nachhaltigkeit, auch das Firmengebäude wurde nach diesem Prinzip gebaut. „95 Prozent der eingesetzten Baustoffe sind recyclefähig, 35 Prozent hatten bereits ein Vorleben, sprich wurden bei Bau unseres Firmengebäudes recycelt.“ So hat Gugler das Gebäude mit Papierabfällen aus seiner C2C-zertifizierten Produktion gedämmt.

Boehringer Ingelheim: Umweltmaßnahmen sind nicht Selbstzweck

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Das Pharmaunternehmen hat den Umweltschutz in den Leitlinien verankert. Maßnahmen gibt es in allen Bereichen – sie müssen sich auch rechnen.

Der Umweltschutz ist bei Boehringer Ingelheim als Grundwert  im Leitbild und in allen Leitlinien verankert.  Die Umweltschutzmaßnahmen werden langfristig ausgerichtet: bereits 2010 wurde das Boehringer Ingelheim RCV unter anderem für Aktivitäten zur Wärmerückgewinnung mit dem Ökoprofit-Zertifikat ausgezeichnet. Laut Unternehmenssprecher Matthias Sturm sind die Umweltmaßnahmen nicht nur  Selbstzweck, sie würden sich auch wirtschaftlich rechnen.

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Dafür hat man etwa die unternehmensweite „Be Green-Initiative“ geschaffen. Weitere  Maßnahmen des Unternehmens finden sich in allen Bereichen: Verringerung der -Emissionen, Steigerung der Energie-Effizienz, Verringerung des Wasserverbrauchs, Verringerung des Abfallaufkommens und  Erhöhung von Qualifikation und Umweltbewusstsein bei den Mitarbeitern.

Was alles gefördert wird 

Pro Jahr werden mehr als 4000 Betriebe und öffentliche Einrichtungen unterstützt.

Umweltförderungen sind ein wichtiger Hebel für Investitionen. Laut Ministerium hat Österreich in den vergangenen 25 Jahren
8,2 Mrd. Euro an Gemeinden, Betriebe  und Private ausbezahlt und damit Investitionen in Höhe von 33 Mrd. Euro ausgelöst.

Gefördert wird vom Bund und von den Ländern. Ein kurzer Überblick für Betriebe:

91,5 Millionen Euro Förderungen des Bundes zugesichert

 


E-Mobilität: 2019 und 2020 wird die Anschaffung von Pkw mit Elektro-, Brennstoffzellen- und Plug-in-Hybrid-Antrieben sowie Range Extender für den betrieblichen Einsatz mit bis zu 1500 Euro unterstützt. Ab 1. März sind die Online-Registrierung sowie die formelle Einreichung von Förderungsanträgen möglich.  Gefördert wird auch die Anschaffung von E-Fahrrädern und E-Transportfahrrädern.

Solarthermie: Gefördert wird  die Errichtung von Demonstrations-Anlagen mit mindestens 100 m² Kollektorfläche z.B. zur Wärmegewinnung in der Produktion, Beheizung oder Kühlung von Gewerbegebäuden  oder Solarthermie in Kombination mit Wärmepumpe. Einreichschluss: 28. Februar.

Mustersanierung: Gefördert werden umfassende Sanierungsprojekte von betrieblich genutzten Gebäuden. Darunter fallen z.B.  die Verbesserung des Wärmeschutzes, Maßnahmen zur Anwendung erneuerbarer Energieträger und zur Steigerung der Energieeffizienz.

In den einzelnen Bundesländern  gibt es zusätzliche Umweltförderungen, die  vor allem nachhaltigen Wohnbau, Ökostrom oder Solaranlagen betreffen.

Weitere Infos unter: www.umweltfoerderung.at

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Weißwaschen, um „grün“ zu sein

Mit Ökoschmähs und Pseudo-Siegel werden Konsumenten oft an der Nase herumgeführt

Der gesellschaftliche Druck, „grün“ sein zu müssen, kurbelt das Geschäft mit dem „Schein-Grün“ an.  Beim so  genannten „Greenwashing“  (wörtlich für Grünwaschen) versuchen Firmen oder Institutionen,  sich mit PR-Aktivitäten als besonders umweltfreundlich darzustellen, auch wenn dies nur bedingt oder überhaupt nicht der Wahrheit entspricht.

So wimmelt es etwa von fragwürdigen Ökoabzeichen und Nachhaltigkeitssiegeln.   Ein gutes Beispiel ist die Palmöl-Industrie, die    mit   dem Nachhaltigkeitssiegel  RSPO ihr Image aufpolieren möchte.   Die Abholzung des Regenwaldes für Palmöl-Plantagen  gilt als einer der Hauptverursacher des vom Menschen verursachten Treibhausgases und bedroht den Lebensraum vieler Tiere. 

Förderungen haben  774 Mio. Euro Investitionsvolumen ausgelöst


„Für Produkte, die RSPO-zertifiziert sind, werden Regenwälder niedergebrannt, um Raum für Ölpalmen zu schaffen. All das geschieht unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit“, kritisiert Nunu Kaller, Konsumentensprecherin von Greenpeace. Auch das Fisch-Siegel MSC fällt unter die Kategorie Ökoschmäh. Es reicht nämlich schon aus, wenn Konzerne Pläne für einen nachhaltigeren Fischfang erstellt haben, aber noch nicht umgesetzt haben.

Greenpeace nahm im Vorjahr die „Zeichen-Tricks“ unter die Lupe. Fazit: Jedes dritte  Gütesiegel für Lebensmittel ist nicht vertrauenswürdig, die Umweltschützer fordern strengere  gesetzliche Maßnahmen gegen Etikettenschwindel.

Wer als Firma ernst genommen werden will, sollte die aufgestellten Behauptungen auch gut dokumentieren  können, weiß Ecodesign-Chef Wolfgang Wimmer, der auch Ökobilanzen für Unternehmen erstellt. „Jede Ökobilanz und jeder -Fußabdruck eines Produktes, der gemäß Norm gemacht wird, muss extern verifiziert werden und unterliegt somit einer Überprüfung vor Veröffentlichung. Das ist mittlerweile Standard, dagegen zu verstoßen wäre sehr kurzfristig gedacht.“