Nobelpreis für Wirtschaft an Ex-Fed-Chef und zwei US-Wissenschaftler
Von Kid Möchel
Der Nobelpreis für Wirtschaft geht dieses Jahr an drei US-Wissenschaftler. Der ehemalige Notenbankchef Ben Bernanke swoei Douglas W. Diamond und Philip H. Dybvig werden ausgezeichnet, teilte die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften am Montag in Stockholm mit. Sie würden ausgezeichnet „für die Forschung über Banken und Finanzkrisen“. Der Nobelpreis im Fach Wirtschaftswissenschaften wird erst seit 1969 verliehen und ist mit zehn Millionen Kronen (etwa 914.000 Euro) dotiert. Er wird von der schwedischen Notenbank gestiftet. Sie trägt mit dem Preis der wachsenden Bedeutung wirtschaftlicher Fragen Rechnung.
Bereits in der vergangenen Woche waren die Nobelpreisträgerinnen und -träger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden bekanntgegeben worden. Dotiert sind alle Nobelpreise heuer erneut mit zehn Millionen schwedischen Kronen - umgerechnet sind das derzeit rund 920.000 Euro.
Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ist der einzige der Nobelpreise, der nicht auf das Testament von Dynamit-Erfinder und Preisstifter Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht. Er wird seit Ende der 1960er-Jahre von der schwedischen Reichsbank gestiftet und zählt somit streng genommen nicht zu den klassischen Nobelpreisen. Dennoch wird er ebenso wie die weiteren Nobelpreise an Nobels Todestag, dem 10. Dezember, feierlich überreicht.
Seit der ersten Vergabe des Wirtschaftsnobelpreises war bisher erst ein Österreicher unter den Preisträgern: Der österreichische liberale Ökonom Friedrich August von Hayek erhielt 1974 den Preis gemeinsam mit dem Schweden Gunnar Myrdal für Arbeiten auf dem Gebiet der Geld- und Konjunkturtheorie. Auch in Deutschland gab es bisher nur einen Preisträgr: Der Bonner Wissenschaftler Reinhard Selten erhielt ihn 1994 gemeinsam mit John Nash und John Harsanyi für ihre wegweisenden Beiträge zur nicht-kooperativen Spieltheorie.
Große Gefahr
Mit der Auszeichnung wurden sie für ihre hilfreichen Erkenntnisse zur Bewältigung der globalen Finanzmarktkrise 2008/2009 geehrt. Der damals drohende Crash des Geldsystems wurde - anders als bei der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre - erfolgreich abgewehrt.
"Es ist vielen gar nicht bewusst, wie groß die Gefahr für das gesamte Finanzsystem eigentlich war", sagte der Vorstand des Departments Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien, Rupert Sausgruber, am Montag im Gespräch mit der APA. "2008/09, als die Finanzkrise passiert ist, haben die Beiträge der drei Ökonomen wesentliche Einsichten zur Bewältigung dieser Krise gegeben", betonte der WU-Professor. Die Fehler aus der Zeit der "Great Depression" in den 1930er-Jahren seien dadurch nicht wiederholt worden. "Man hat richtig reagiert und das ist ganz fundamental auf die Beiträge dieser drei Herrn zurückzuführen", so Sausgruber.
"In der Fachgemeinschaft sind die drei Preisträger sehr hoch angesehen und sehr geschätzt - sie haben die Finanzwirtschaft und die Interaktion mit der Realwirtschaft, also eine richtige Umsetzung der Geldpolitik, geprägt", strich auch Volkswirt Christian Glocker vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) hervor. Das sei der große Erfolg der US-Wirtschaft in der Finanzkrise gewesen. "Die wussten genau, was in der Krise gemacht werden musste, um zu verhindern, in eine ähnlich lange Rezession zu rutschen wie in den Dreißigerjahren", sagte er zur APA.
"In den Dreißigerjahren hat man den Banken nicht geholfen, ihre Liquiditätsprobleme zu lösen, man hat ihnen keine kurzfristige Liquidität zur Verfügung gestellt - sie kamen kurzfristig in Zahlungsschwierigkeiten", erläuterte Sausgruber. 2008/09 stellten die Zentralbanken dann "ganz massiv Liquidität zur Verfügung". Dadurch sei beispielsweise ein "Bank Run" (Ansturm der Bevölkerung auf die Banken zur Geldbehebung, Anm.) verhindert worden. "Alle großen Zentralbanken mussten dasselbe machen", erinnerte der WU-Professor für Finanzwissenschaft. "Das Geldsystem ist nicht gecrasht." Es sei stabil geblieben. "Also wirklich ein wahnsinnig großer Erfolg, wenn man mit den Dreißigerjahren vergleicht."
Lage äußerst kritisch
Mittlerweile gebe es eine Vermögensinflation, räumte Sausgruber ein, hielt aber zugleich fest: "Es war damals alternativenlos." 2008/09 war die Lage den Ausführungen zufolge äußerst kritisch. "Es hat auch systemische Risiken gegeben, die auch die Staatshaushalte betraf", sagte der WU-Professor. Bei der Abwicklung der notleidenden Banken habe man später auch gesehen, dass sie nicht (ganz) so teuer war, wie man ursprünglich geglaubt hatte, meinte er und verwies beispielhaft auf die österreichische Hypo Alpe-Adria-Bank.
Die drei US-Forscher haben laut WIFO-Makroökonom Glocker viel im Bereich Finanzmarktanalyse gemacht und sich damit auseinandergesetzt, wie eine adäquate Regulierung aussieht, "um zu verhindern, dass sich Risiken im Finanzsektor materialisieren beziehungsweise, falls sie sich realisieren nur zu kleinen realwirtschaftlichen Konsequenzen führen". Der "Great Depression" von 1929 bis etwa 1935 war ein "massiver Risikoaufbau im Bankensektor" vorausgegangen, die zu einer gesamtwirtschaftlichen Rezession führte.
Grundlagenforschung
"Ich kenne viele Studien von diesen Leuten, die mittlerweile Standardwerke in diesem Bereich darstellen", erzählte Glocker. Alle drei heute mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Forscher beschäftigten sich damit, welche Risiken eine negative Spirale in Gang setzen könnten und worauf man genau achten müsse. Im Blick haben sie die Finanzwirtschaft auf der einen Seite und die Realwirtschaft auf der anderen Seite. "Die Grundlagenforschung wurde von den drei Preisträgern aufgebaut und wird auch für wirtschaftspolitische Beratung verwendet."
Der frühere Chef (2006 bis 2014) der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), Ben Bernanke, ist laut Sausgruber "mehr der Geldpolitiker", der sich intensiv mit der Rolle der Zentralbank in Finanzkrisen auseinandersetze, Diamond (University of Chicago) und Dybvig (Washington University) arbeiteten mehr im Bankbereich und hätten vor allem das "Risk Management der Liquidität" der Institute im Fokus. "Alle haben die Implikation, dass man die Banken regulieren und das Finanzsystem stabilisieren muss."