Neuerliche Verluste an Chinas Börsen
Von Christine Klafl
Mit Aktien zocken und damit reich werden. Nicht nur die chinesische Mittelschicht hegte diesen Traum. Auch Bauern sollen zusammengelegt haben, um gemeinsame Depots zu eröffnen und mit Aktien zu spielen. Das Zentralkomitee hatte im Vorjahr die Privatanleger schließlich dazu aufgerufen, Aktien zu kaufen und der Wirtschaft so Geld zur Verfügung zu stellen – damit die Verschuldung der Unternehmen sinkt. Die Partei wird es schon richten, falls beim Spekulieren etwas schief geht, war die Hoffnung der Anleger.
Zum Teil hat sich diese Hoffnung auch erfüllt. Als ab Mitte Juni die Kurse zu stürzen begannen (die davor um 150 Prozent in die Höhe geschossen waren), folgten massive Eingriffe. Über mehrere Vehikel kaufte der Staat Aktien, um die Kurse zu stützen, die Leitzinsen wurden gesenkt, um Kredite zu verbilligen. Bis Anfang dieser Woche griffen diese Maßnahmen auch, die Kurse erholten sich von ihrem Tief am 8. Juli um rund 16 Prozent.
Als ernüchternde Konjunkturdaten veröffentlicht wurden, brach allerdings neuerlich eine Verkaufswelle über die chinesischen Börsen herein. Mit 8,5 Prozent gab es, wie berichtet, am Montag den größten Tagesverlust seit acht Jahren. Am Dienstag ging es an den Festlandbörsen in Schanghai und Shenzhen zu Beginn des Handels um weitere vier Prozent nach unten. Weil dann Staatsfonds neuerlich Aktien aufkauften, wurde der Kursverfall eingebremst. Zu Handelsende wies Schanghai dann ein Minus von 1,68 und Shenzhen eines von 1,43 Prozent auf.
Verschwörung
Angesichts der jüngsten Kursverluste machten prompt Verschwörungstheorien die Runde. Ausländische Investoren, die auf fallende Kurse wetten, sollen Schuld an den Börsenbeben sein. Die Börsenaufsicht will hart dagegen vorgehen.
Tatsache ist jedenfalls, dass sich die Wirtschaft Chinas bei weitem nicht so toll entwickelt, wie es die Aktienkurse vorgegaukelt haben. Die für die Wirtschaftssteuerung zuständige Behörde NDRC nannte die Wachstumsdynamik am Dienstag sogar "unzureichend". Peking hält zwar am Ziel fest, heuer ein Wirtschaftswachstum von sieben Prozent zu erreichen. Ökonomen rund um den Globus können allerdings nicht mehr daran glauben. Auch deshalb, weil sich die Mittelschicht, die Geld an den Börsen verloren hat, mit Konsumausgaben (etwa Autokäufen, siehe rechts) zurückhalten wird.