Wirtschaft

Neuer Widerstand im Pleitestaat

Richter, Lehrer, Postler, Busfahrer, Kapitäne, Steuerbeamte – Griechenlands öffentlicher Dienst leistet Widerstand. Einmal mehr stand das Land gestern, Mittwoch, still, die Gewerkschaften haben zum Generalstreik aufgerufen. Vereinzelt kam es auch zu Ausschreitungen.

Protestiert wurde gegen das geplante, nächste Sparpaket der Regierung. 11,88 Milliarden Euro muss die Drei-Parteien-Koalition unter der Führung des konservativen Premiers Antonis Samaras im nächsten Budget einsparen – nur dann wird der Pleitestaat die erforderlichen 30 Milliarden Euro an Hilfszahlungen der Troika (bestehend aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds) erhalten. Just am Tag des Generalstreiks gab der Premier dafür grünes Licht, weitere zwei Milliarden sollen durch Steuererhöhungen hereinkommen.

Zehntausende Griechen trieb die Wut über die bevorstehenden, nächsten Kürzungen zu Protestmärschen auf die Straße. Mit dabei: Pensionist Thanos Ninis, der sich nicht vorstellen kann, wie er über die Runden kommen soll, wenn seine Monatspension von 650 Euro noch weiter gekürzt werden soll. "Ich habe mein ganzes Leben schwer gearbeitet, und jetzt kann ich von meiner Pension nicht mehr leben?" Der ehemalige Werftarbeiter klingt resigniert: "Die Pensionen wurden gekürzt, die Steuern angehoben, und die Mietbeihilfe wurde gestrichen."

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Abwärts

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Griechenland, so befürchten viele, steuert einem unruhigen Herbst entgegen. Proteste und Streiks würden in dem Maß zunehmen, wie die Menschen ihre Strom- und Heizungsrechnungen nicht mehr zahlen können.

Mehrere radikale Sparpakete hat das Land hinter sich – ohne das gewünschte Ziel, sich finanziell zu konsolidieren, auch nur annähernd erreicht zu haben. Im Gegenteil: Die Wirtschaftskraft sackte in den vergangenen Jahren um fast ein Viertel ab, knapp 25 Prozent sind arbeitslos. In Athens Innenstadt hat bereits jedes dritte Geschäft geschlossen, in einigen Sektoren des öffentlichen Dienstes hatten Angestellte Einkommenseinbußen von 50 Prozent. Die Armut wächst, vor Athens Suppenküchen stehen jeden Tag 8000 Menschen Schlange.

Im Abwärtsstrudel der Wirtschaft schart indes der Chef der radikal-linken SYRIZA-Partei, Alexis Tsipras, die verbitterten Griechen um sich. "Selbst die Steine wissen, dass diese Rechnung nicht aufgeht", wettert Tsipras gegen das nächste Sparpaket: In einer Rezession sei weiteres Sparen nur kontraproduktiv.

Europas Krisenländer

Italien Den stärksten Konsumeinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt derzeit unser Nachbarland. Bis Ende des Jahres wird der Konsum um drei Prozent zurückgehen. Nicht alle Branchen in Italien spüren den Rückgang in gleichem Ausmaß. Besonders stark treffen den Kleinhandel die Auswirkungen der Wirtschaftskrise und der Sparpolitik.

Spanien In Madrid demonstrieren derzeit täglich Tausende Spanier gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. Bei Straßenschlachten mit der Polizei wurden Dienstag Nacht laut der Tageszeitung El País 35 Menschen verhaftet und 64 verletzt. Die Sparpolitik macht der Bevölkerung schwer zu schaffen, viele flüchten sich vor dem kollabierenden Arbeitsmarkt ins Ausland. Die Wirtschaft des Landes schrumpft weiter, teilte am Mittwoch die Notenbank mit. Seit Ende 2011 verliert die Konjunktur kontinuierlich an Fahrt.

Portugal Vor dem Hintergrund jüngster Massenproteste rudert Portugals Regierung mit einem Teil der geplanten Sparmaßnahmen zurück, um den wachsenden Ärger der Portugiesen etwas zu mindern.

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