Wirtschaft

Neue Internet-Börse: Alte Höfe für neue Bauern

Jeden Tag werden in Österreich etwa zehn Bauernhöfe aufgelassen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Bewirtschaftung rechnet sich nicht mehr, die Bauern hören aus gesundheitlichen Gründen auf oder gehen in Pension. Oft wollen auch die Kinder den Hof nicht übernehmen, weil sie andere berufliche Wege eingeschlagen haben. Meistens werden die Gebäude weiter bewohnt, die Agrar-Flächen aber an Nachbarn verpachtet. Bei fast einem Drittel aller land- und forstwirtschaftlichen Betriebe (rund 128.000) ist die Hofübergabe (noch) nicht geklärt. Für knapp acht Prozent kommt eine allfällige außerfamiliäre Übergabe in Frage, heißt es in einer Studie der Bundesanstalt für Agrarwissenschaft.

Um das Höfe-Sterben einzudämmen, haben sich Studenten der Universität für Bodenkultur (Boku) und andere Agrar-Experten zum Netzwerk Existenzgründung in der Landwirtschaft (NEL) zusammengeschlos-sen. Der Verein bastelt derzeit an einer Online-Plattform, sprich einer Börse für Hofübergaben außerhalb der Familie. "Perspektive Landwirtschaft" heißt diese Online-Drehscheibe. Vorbild ist die deutsche Internet-Plattform www.hofgruender.de. Für das erste Jahr benötigt der Verein NEL dafür rund 12.000 Euro. Derzeit wird in Form eines "Kraut-Fundings" bei möglichen Sponsoren und Spendern angeklopft.

Professionelle Berater

"Wir haben das Netzwerk gegründet, um bäuerliche Landwirtschaften zu erhalten", sagt die Agrar-Expertin Karin Okonkwo-Klampfer zum KURIER. "Wir wollen potenziellen Neueinsteigern den Zugang zu Höfen erleichtern, und diese mit Bauern, die Höfe außerhalb der Familie vergeben wollen, zusammenbringen." Nachsatz: "Wir wollen diese Übergaben nicht nur vermitteln, sondern die Nachfolgeprozesse als Berater weiter begleiten."

Denn: Bei solchen Übernahmen müssen die rechtlichen, finanziellen und sozialen Rahmenbedingungen genau geklärt werden. Wie wird die Übernahme finanziert? Wie wird der Hof weitergeführt? Wohnen die Altbauern weiter auf dem Hof? "Der Knackpunkt ist nicht mangelndes Wissen und Können der Interessenten, sondern die emotionale Hürde der Altbauern, den Hof an einen Familienfremden zu übergeben", sagt die Expertin. "Schon Hof-Übergaben innerhalb der Familie sind oft schwierig." Übernahmen durch Familien-Fremde erfolgen meist nicht durch eine gezielte Suche, sondern Interessierte stoßen vor allem durch Zufall und Mundpropaganda auf ein entsprechendes Agrar-Objekt.

Ziele genau abstecken

Laut der Studie empfiehlt es sich bei einer Hofübergabe, langsam vorzugehen und sich gut über den Betrieb zu informieren. Die Ziele sollten genau abgesteckt und eine Probezeit absolviert werden. In der Regel haben die Neo-Bauern zuvor schon als Praktikanten auf Höfen gearbeitet. "Betriebe, die nur auf Kredit aufgebaut sind, tun sich oft schwer", sagt Okonkwo-Klampfer. Für 44 Prozent der befragten Alt-Bauern ist ein gutes zwischenmenschliches Klima bzw. die gegenseitige Sympathie das A und O für einen Hof-Verkauf an Fremde. Und: Um spätere Konflikte zu vermeiden, sollten für die Altbauern und die Neo-Bauern auch getrennte Wohnbereiche eingerichtet werden.