Wirtschaft

Neo-Verkehrsminister: "Keine Verkehrstoten mehr"

Der neue Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie findet eine Maschinensteuer nicht ganz abwegig und denkt über eine flächendeckende Maut für Schwer-Lkw in ganz Österreich nach.

KURIER: Vorvorgänger Alois Stöger wollte Weltraum-Minister sein, Vorgänger Gerald Klug die Kontakte zur Industrie intensiver knüpfen. Was sind Ihre Schwerpunkte?

Jörg Leichtfried:

Ich will den Verkehr sicherer und umweltfreundlicher machen. Ich will die Digitalisierung Österreichs vorantreiben. Und ich will Bereiche, wo wir gut sind, weiter stärken, sowie die Forschung und Entwicklung neuer Technologien unterstützen.

Wie kann man die Verkehrssicherheit erhöhen?

Ich habe ein eindeutiges Ziel: keine Verkehrstoten mehr. Die Zahl ist zuletzt sogar gestiegen (auf 475 im Vorjahr, Anm.). Bis 2020 soll sie halbiert werden. Wenn künftig jemand alkoholisiert angehalten wird, kann er sich statt der Führerscheinabnahme für Alcolock (Alkohol-Zündschlosssperre) entscheiden – das aber für viel längere Zeit, als die Führerscheinabnahme gelten würde. Viele Leute fahren ja trotz Führerscheinabnahme weiterhin alkoholisiert. Das werden wir damit verhindern. Außerdem werden wir die Unfall- und die Verletzungsdaten gemeinsam mit den Bundesländern analysieren, um herauszufinden, wo folgenschwere Unfälle passieren. Solche Stellen können dann entschärft werden.

Österreich ist bei der Forschung gut, aber schlecht dabei, sie in eine betriebliche Praxis umzusetzen, sprich: auch neue Firmen zu schaffen.

Dort, wo gute Sachen passieren, Beispiel Metallurgie in der Obersteiermark, muss man helfen, dass es so bleibt. Das metallurgische Kompetenzzentrum – mit der dortigen Montanuniversität und den Industriebetrieben – ist Weltmarktführer. Und wir müssen neue Nischen besetzen, automatisiertes Fahren zum Beispiel.

Mit selbstfahrenden Autos wird demnächst auf Teststrecken experimentiert. Wann wird das in der Praxis funktionieren?

Heuer werden Teststrecken ausgewiesen, und ab 2017 wird es Testlabors geben, wo noch viel intensiver geforscht werden kann. Wir werden die Entwicklung gemeinsam mit Unternehmen begleiten. Bis wann das alltagstauglich ist, kann man noch nicht sagen. Es geht auch darum, die Verkehrssicherheit zu erhöhen: Wenn Autos miteinander kommunizieren, erkennt man schneller, dass weiter vorne ein Stau ist oder der Lkw vor einem plant abzubiegen. Wenn man sein Auto selbsttätig heimschicken kann, weil kein Parkplatz in Büro-Umgebung ist, kann das natürlich auch doppeltes Verkehrsaufkommen bedeuten. Das alles muss man mitbedenken.

Hilft oder hemmt eine Maschinensteuer?

Die Digitalisierung hat natürlich Auswirkungen. Ich habe mir zum Beispiel das unheimlich faszinierende neue Drahtwerk der voestalpine angeschaut. In der ersten Reihe stehen hochausgebildete Facharbeiter. In der zweiten die Diplomingenieure, in der dritten Ingenieure. Für andere, die vorher Platz hatten, gibt es keinen mehr.

Kann man als Industrieminister für eine Maschinensteuer sein?

Es ist die Frage des Gesamtpakets. Was ist mit den Menschen, die nicht mitkönnen? Wie kann man das strukturelle Umfeld schaffen, damit sie auch Arbeit haben? Die Diskussion darüber findet jetzt statt. Wir sollten sie nicht reflexartig ablehnen.

Wie kann man in einem Hochlohn- und Hochsteuerland die industrielle Produktion halten?

Mit Hochspezialisierung, Innovation und den qualifiziertesten Mitarbeitern. Der Forschungs- und Entwicklungsminister kann auch Start-ups unterstützen, wo sehr viele gescheite Ideen herkommen, die oft von großen, traditionellen Konzernen übernommen werden. Genauso wichtig ist aber auch die klassische Infrastruktur – für die Lebensqualität der Menschen: gute Verbindungen für Menschen und Güter.

War das Ressort nicht zu lange nur auf Tunnels konzentriert?

Diesen Vorwurf halte ich für falsch: Was macht den öffentlichen Verkehr für Fahrgäste attraktiv? Vertaktung, hohes Tempo, Erreichbarkeit, Komfort, Zuverlässigkeit und eine gewisse Coolness. Die Schweizer haben das erkannt. Grundvoraussetzung ist, dass wir Strecken schaffen, die das alles ermöglichen.

Wann kommt die flächendeckende Maut für Schwer-Lkw?

Darüber müssen die Bundesländer entscheiden, bisher gab es keine Einigkeit. Aber etliche Bundesländer sind finanziell nicht mehr in der Lage, das Straßennetz im jetzigen Zustand zu erhalten. Es wird nun geprüft, dafür nimmt man sich ein Jahr Zeit. Gleichzeitig führen die Deutschen so etwas auf den Bundesstraßen ein. Wir werden die Auswirkungen beobachten.

Auto-Experten sagen, dass der ökologische Fußabdruck von E-Autos noch immer deutlich schlechter als der von konventionellen Autos ist. Ist das wirklich die Zukunft?

Es gibt auch da unterschiedliche Meinungen. Wir wollen E-Mobilität auf jeden Fall alltagstauglich und vom Preis her akzeptabel machen.

Dafür muss man aber noch die Reichweite der Autos und die Zahl der Ladestationen verbessern.

Ja, da muss noch mehr entwickelt und geforscht werden. In Österreich ist gerade eine Batterie entwickelt worden, die halb so groß, halb so schwer, aber doppelt so leistungsfähig ist. Bis 2020 soll Österreich flächendeckend mit Ladestationen versorgt sein, das ist mein Ziel.

Ist da nicht auch viel Ideologie drinnen? Wie beim Strom – wer seine Rechnung studiert, bemerkt, dass zwei Drittel davon Steuern und Abgaben wie etwa Ökostromförderung sind. Gibt’s da nicht auch Irrwege?Man muss hinterfragen, wer von diesem Förderwesen profitiert: zum Beispiel Bürger, die mit ihrem Eigenheim Strom produzieren, während jene in Mietwohnungen überhaupt nichts davon haben. Da ist schon ein soziales Ungleichgewicht, darüber müsste man auch nachdenken.

Was ist so schlimm an TTIP?

TTIP ist eh schon Geschichte, meine ich.

Was sagen Sie als Ex-EU-Parlamentarier: Ist das Europaprojekt gerade am Kippen?

Es ist eine gewisse Gefahr da. Es ist Zeit, jetzt um Europa zu kämpfen.

Der neue Bundeskanzler Christian Kern tauschte den erst kurz amtierenden Gerald Klug gegen den Steirer Jörg Leichtfried im Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie aus. Leichtfried (48) startete seine Politikkarriere als Chef der Jungen Generation (SPÖ). Später war er elf Jahre lang Europaparlamentarier. 2015 wurde er steirischer Landesrat für Verkehr und Sport (den er auch privat leidenschaftlich betreibt). Leichtfried ist ausgebildeter Jurist, arbeitete nach dem Studium in der Arbeiterkammer.