Wirtschaft

Minister-Appell gegen das Krankjammern

Alois Stöger ist seit genau einem Jahr für Verkehr, Innovation und Technologie zuständig. Österreich ist viel besser als sein Ruf, sagt er.

KURIER: Arbeitslosenrekord in Österreich. Was tut der Infrastrukturminister dagegen?

Alois Stöger: Wir investieren in Schiene, Straße, Breitband, Verkehrssicherheit. Einspurige Tunnel werden bis 2019 beseitigt. Außerdem sichern wir Arbeitsplätze durch Forschung. Und wir stärken die Industrie 4.0.

Gerade wurde dazu eine Pilotfabrik in Wien-Aspern eröffnet. Was geschieht dort?

Unternehmen können mit Forschern ihre Prozesse verbessern. Wenn sie am Ende eine Verringerung des Energieverbrauchs und weniger Abfall schaffen, bringt das Geld.

Vernichtet Industrie 4.0 Jobs?

Jede industrielle Revolution hat Jobs verändert, heute geht auch niemand mehr hinter einem Pflug her. Insgesamt wird es nicht weniger Arbeitsplätze geben, aber das Leistungsprofil wird anders sein. Die Frage ist nur: Sind wir dabei oder nicht?

In vielen Städten fährt die U-Bahn ohne Fahrer, künftig könnten auch Autos selbsttätig fahren. Wann kommt das zu uns?

Österreich ist, was die Forschung anlangt, sehr weit vorne dabei. Ab 2016 wollen wir Teststrecken für solche Fahrzeuge schaffen. Der österreichische Autocluster braucht das. Ende Oktober gibt es einen Round Table dazu.

Wo werden die fahrerlosen Autos unterwegs sein?

Erstens auf neuen Straßen, die noch nicht für den Verkehr freigegeben sind. Zweitens kann das auf manchen Straßenabschnitten für begrenzte Zeit erlaubt werden. Selbstverständlich steht die Verkehrssicherheit im Mittelpunkt. Wenn nötig, sollen Begleitpersonen das Steuer übernehmen.

Die Zukunft liegt auch beim 3-D-Drucker. Wo und wie wird man die Technik einsetzen können?

Wir sind in diesem Feld eine der führenden Nationen. In der Gießerei-Industrie zum Beispiel werden Formen möglicherweise über 3-D-Drucker hergestellt.

Sie behaupten ja auch immer, dass Österreich eine Weltraumnation ist.

Sind wir. Es gibt kaum Weltraumflüge, die nicht mit österreichischer Technologie fliegen. Es ist uns gelungen, bei der Europäischen Weltraumbehörde ESA sicherzustellen, dass alles, was wir investieren, auch via Aufträge den österreichischen Unternehmen zugute kommt. Fast 80 österreichische Unternehmen arbeiten für diesen Bereich. Das ist wirklich gut.

Warum schwächelt Österreich dann so?

Wir reden uns selbst kaputt. Wenn führende Wirtschaftskapitäne behaupten, wir schwächeln, dann kriegen sie dafür immer Aufmerksamkeit. Natürlich soll man über Schwächen nicht hinwegsehen. Aber wir sind bei Maschinen, Fahrzeugen, Schiene vorne dabei – und Weltmeister im Tunnelbau. Okay: Wir haben nicht Google. Aber wenn man weiß, dass der neue Google-Sicherheitschef Gerhard Eschelbeck ein Österreicher ist, dann sieht man wieder, dass wir nicht schlecht liegen.

Das technische Ausbildungsniveau in Österreich ist gut.

Eben – es sagt aber keiner. Bei uns wird lieber gejammert, dass wir bei Uni-Rankings nicht so gut sind. Dabei hat der Google-Sicherheitschef an der Linzer Uni Informatik studiert. Nicht zufällig hat man in Linz das LD-Verfahren entwickelt und die Stahlbranche weltweit revolutioniert. Wir sind auch in der Materialforschung super.

Und was kann man noch besser machen?

Wir brauchen eine stärkere Industriepolitik. 10 Prozent der Unternehmen sind Industriebetriebe. Darin arbeiten 16 Prozent der Beschäftigten. Und dort ist die Forschungsquote mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt. Es entwickeln sich immer mehr Kooperationen zwischen Universitäten und Betrieben. Allein in Linz gibt es rund um die Uni Betriebe mit 300 Forschern. Diese Kultur muss man fördern.

Fördern wir Start-ups genügend? Zumindest ist es schwierig, Geld dafür zu kriegen.

Ganz im Gegenteil. Wir unterstützen viele Start-ups. Eines davon war übrigens Runtastic (Adidas stieg gerade mit 220 Millionen in die österreichische Fitness-App ein, Anm.).

Der Erfinder hatte aber auch einen privaten Investor.

Ja eh. Aber zuerst haben wir ihn gefördert.

Der Markt für Risikokapital könnte trotzdem stärker sein.

Stimmt. Auch die private Forschung wäre verbesserbar. Aber angesichts der Arbeitnehmerbelastung ist die Jammerei des Kapitalmarkts über die Besteuerung falsch. Natürlich brauchen wir auch Risikobereitschaft. Es kann auch mal was schiefgehen. Doch in Summe entwickelt sich Österreich überaus gut weiter.

Wirklich? Studien bescheinigen uns in Sachen Wachstum, der Nachzügler Europas zu sein.

Ja, deshalb halten wir mit der Steuerreform dagegen. Wir schwächeln auch bei den Investitionen des öffentlichen Sektors – wegen der falschen europäischen Politik. Die Ausgabenbremse der Staaten müsste beendet werden. Wer nach Griechenland schaut, weiß aber, wie wichtig Strukturreformen sind.

Eine Strukturreform ohne Investition ist zum Scheitern verurteilt und umgekehrt. Natürlich müssen staatliche Strukturen in Griechenland aufgebaut werden. Europa braucht auch ganz dringend politische Kraft.

Was wünschen Sie sich für Österreich?

Wir brauchen eine Willkommenskultur für Forscher, aber auch für andere. Wir sollten Leute, die Hirn haben, nicht verjagen. Es könnten bei denen, die jetzt zu uns kommen, ja auch welche dabei sein, die das Zeug zum Nobelpreisträger haben.

Alois Stöger (54) war bis 2014 Gesundheitsminister, seither ist der SPÖ-Politiker für Infrastruktur zuständig. Beim Technologiegipfel in Alpbach gab er ein 50 Millionen schweres Paket bekannt, das der Technologiewirtschaft zusätzlichen Schub geben soll. Neben Teststrecken für selbstfahrende Fahrzeuge soll eine Vorzeigeregion Energie entstehen. Damit soll der Welt bewiesen werden, dass umweltfreundliche Energienutzung mit Innovationen aus Österreich machbar ist.