Milchpreise: Nothilfe für Bauern und Export-Offensive
Rauchschwaden liegen über dem Europa-Viertel, es stinkt: Plastikkühe werden verbrannt, ein wütender französischer Landwirt wirft einen Melkschemel durch die Luft. Der Lärm ist ohrenbetäubend. "Milchbauern kämpfen um ihr Überleben" steht auf Hunderten Transparenten. Mehr als 2000 Traktoren, groß wie Industrie-Raupen, verstellen sämtliche Zufahrtsstraßen, die Polizei setzt Wasserwerfer ein.
Tausende Bauern revoltierten am Montag in Brüssel, darunter auch wenige Österreicher, wie der Präsident des Bauernbundes Oberösterreich. Passanten waren ob der vielen Absperrungen aber nicht verärgert, sondern zeigten dafür großes Verständnis. "Es geht ja schließlich um die Sicherheit unserer Nahrungsmittel. Die Bauern müssen sich wehren", sagt ein belgischer Passant.
Die Lage beruhigte sich erst, als bekannt wurde, die EU-Kommission stellt 500 Millionen Euro Soforthilfe für Milchbauern zur Verfügung.
Auch den EU-Agrarministern ist klar, sie müssen den Milchproduzenten ein Angebot machen. Ressortchef Andrä Rupprechter (ÖVP) stellte konkrete Forderungen, um die mehr als 31.000 heimischen Milchbauern zu unterstützen. "Die Probleme am Markt in Österreich belaufen sich auf rund 100 Millionen Euro." Aber nicht alles werde kompensierbar sein, es bräuchte auch Schritte zur Marktentlastung, sagte Rupprechter.
Er fordert die vorübergehende Anhebung des Interventionspreises, unter dem die EU-Kommission Agrarprodukte aufkaufen kann. Derzeit liegt der Preis bei 20 Cent, Rupprechter will 25 Cent. "Damit könnte Milch und Magermilch-Pulver vom Markt genommen werden." Der Landwirtschaftsminister will auch Mittel aus der Milchüberschuss-Abgabe aus dem vergangenen Jahr von 900 Millionen Euro für den Milchsektor einsetzen. Einige Minister haben Milch-Aktionen verlangt, zum Beispiel den Ausbau der in Österreich üblichen Schulmilch-Aktion oder die vermehrte Lieferung an Spitäler und öffentliche Einrichtungen.
Seit dem Wegfall der Milchquote Ende März dieses Jahres fielen die Milchpreise in den EU-Ländern ins Bodenlose. Für Rupprechter ist die Produktion von Milch-Überschüssen aber nicht der wichtigste Grund für den Preisverfall. In Österreich bekommen die Bauern im Schnitt 32 Cent für einen Liter Milch, in Deutschland, Frankreich und Belgien liegt der Preis unter 30 Euro-Cent.
Kein Russland-Markt
Viel gravierender ist der Exportrückgang nach Russland wegen der seit einem Jahr bestehenden EU-Sanktionen. Der Markt ist völlig eingebrochen und auch die Lieferungen nach China lassen zu wünschen übrig.
Einig waren sich die 28 Minister, dass die EU-Kommission rasch eine Export-Offensive für Milch und Milchprodukte starten müsse, Asien sei ein geeigneter Markt.
Abgeschmettert wurden Anliegen der Franzosen, wieder stärker in den Markt einzugreifen und zur Milchquote zurückzukehren.