Mehr Fälle für EU-Betrugsbekämpfer
Die EU-Betrugsbekämpfer von OLAF hatten 2012 so viel zu tun wie noch nie: Insgesamt 1264 Fälle wurden von Privatpersonen und öffentlichen Einrichtungen an die Behörde herangetragen – 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor, die meisten im Zusammenhang mit EU-Förderungen. Für OLAF-Chef Giovanni Kessler ein Vertrauensbeweis, wie er bei der Präsentation des Jahresberichts am Donnerstag sagte: „Die Menschen merken, dass es sich auszahlt, uns einzuschalten. Mehr Vertrauen bedeutet für uns auch mehr Arbeit.“
Ausgezahlt hat sich offenbar die Restrukturierung der Behörde Anfang 2012: Die durchschnittliche Zeitspanne, bis OLAF einen Fall untersucht oder ablehnt, hat sich um 80 Prozent verkürzt, von 6,8 auf 1,4 Monate. Auch wurden 2012 mit 465 Fällen mehr als doppelt so viele abgeschlossen wie noch im Jahr davor (208).
284 Millionen zurück gefordert
Am Ende der OLAF-Untersuchungen steht oft die Empfehlung an nationale Behörden, sich Geld zurückzuholen. 2012 ging es um ein Gesamtvolumen von 284 Mio. Euro. Die meisten Rückforderungen gab es im Zollbereich (165,8 Mio.), gefolgt von Geldern aus den EU-Strukturfonds (63,3) und den Agrarfonds (33,4). In einem Fall konnte OLAF etwa nachweisen, dass es Firmen gelungen war, mit gefälschten Rechnungen für den fiktiven Handel mit Tomatenkonzentrat EU-Agrarförderungen in der Höhe von zwei Mio. Euro zu lukrieren. Ein Prozess, der 30 Firmen und 200 Verdächtige umfasst, läuft noch.
In einem anderen Fall konnte eine Geldfälscher-Bande in Italien ausgehoben werden, die Ein- und Zwei-Euro-Münzen herstellte.
Im Kampf gegen den Zigarettenschmuggel, einer der wichtigsten Bereiche für die Betrugsbekämpfer, unterstützte OLAF die drei baltischen Staaten beim Aufbau eines automatischen Erkennungssystems für Autokennzeichen. So sollen Ermittler Schmugglerbanden, die aus dem Osten über das Baltikum in die EU kommen, aufzuspüren.
Plan für EU-Staatsanwalt noch heuer
Da immer mehr Fälle grenzüberschreitende Untersuchungen nach sich ziehen, fordert OLAF-Chef Kessler eine „Europäische Staatsanwaltschaft“, die für die EU untersucht und anklagt: „Das wäre ein Meilenstein im europäischen Rechtssystem.“ Die Idee kursiert in Brüssel bereits seit einigen Jahren; jetzt, so Kessler, gebe es konkrete Gespräche mit der Kommission. Diese soll bis Jahresende einen Gesetzesvorschlag präsentieren.
Die Fälschung von Markenprodukten ist weltweit ein riesiges Problem. Der Schaden beläuft sich nach Schätzungen auf 125 Mrd. Dollar (96,7 Mrd. Euro) oder 2,5 Millionen gefährdete Arbeitsplätze.
Auch in Österreich haben die Zollfahnder alle Hände voll zu tun, gefälschte Produkte aus dem Verkehr zu ziehen. Am Donnerstag wurde dazu der alljährliche Produktpirateriebericht im Parlament präsentiert und es zeigt sich – dank besserer Aufklärung – ein rückläufiger Trend.
Konkret wurden im Vorjahr in Österreich 2344 Sendungen mit gefälschten Produkten abgefangen und dabei 182.046 Artikel aus dem Verkehr gezogen. Die Waren hätten – als Originale – 4,2 Mio. Euro gekostet. 2011 waren 3201 Sendungen mit knapp 98.000 Artikeln den Zollfahndern ins Netz gegangen, der Wert war noch bei 5,3 Mio. Euro gelegen.
Bittere Pillen
Ein besonderes Problem stellen dabei weiterhin die Medikamentenfälschungen dar. Der heimische Zoll gilt hier in der EU als besonders erfolgreich im Aufgriff der illegalen Produkte. Vielfach helfen hier die von Fälschungen betroffenen Firmen und machen auf Problemsendungen und wie man solche erkennt, aufmerksam.
Im Gegensatz zu Briefen darf die Behörde Pakete aufmachen und kontrollieren. Experten sehen recht schnell, ob sie es mit dem Original oder einer Fälschung zu tun haben. Nach China kommen die meisten Fälschungen übrigens aus Indien – praktisch zur Gänze sind das vermeintliche Medikamente.
Wenn der Zoll gefälschte Produkte findet, informiert er den Empfänger und die Firma, deren Waren betroffen sind. Wenn beide zustimmen, dann wird die Sendung vernichtet, erläuterte Gerhard Marosi, Experte für Produktpiraterie im Finanzministerium. Zu 95 Prozent gibt es dieses Einverständnis. Der Empfänger wird in der Regel nicht bestraft – außer dass er das Produkt nicht erhält und den Kaufpreis abschreiben kann.