Wirtschaft

Mehr als eine Million Beschäftigte sind "systemrelevant"

Wer hat in der Corona-Krise das Land am Laufen gehalten? Die Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich, im Lebensmittelhandel, bei Lieferdiensten, aber auch im Bildungsbereich und bei der Exekutive. Insgesamt sind das 1,03 Millionen Arbeitnehmer in elf Berufsgruppen, geht aus einer Sonderauswertung des Arbeitsklimaindex durch das Sora-Institut im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) hervor. Allein in den drei Bereichen Einzelhandel, Reinigung und Lehrerin/Lehrer umfasst mehr als die Hälfte der Beschäftigten.

Was die überwiegende Mehrheit dieser Berufe kennzeichnet: Ein hoher Frauenanteil, eine geringes Einkommen, eine hohe Teilzeit-Quote, hohe Arbeitsbelastung und - abseits der Corona-Krise -  ein geringer gesellschaftlicher Stellenwert.

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Unterdurchschnittlich bezahlt

"Je höher der Frauenanteil, desto geringer die Bezahlung", fasst Daniel Schönherr vom SORA-Institut die Auswertung zusammen. Von elf als „systemrelevant“ eingestuften Berufsgruppen haben  jene fünf Gruppen, in denen der Frauenanteil am höchsten ist, Einkommen unter dem österreichischen Durchschnitt.

Am unteren Ende befinden sich Reinigungskräfte und Einzelhandelsangestellte, sie verdienen im Schnitt weniger als 1.300 Euro netto/Monat. Vor allem Reinigungskräfte (76 Prozent) und Kassakräfte/RegalbetreuerInnen (70 Prozent) kommen mit ihren Einkommen nur knapp oder nicht aus. In diesen Berufen ist der Frauen- und MigrantInnen-Anteil besonders hoch. Die geringeren Arbeitsstunden erklären die geringeren Einkommen nur zum Teil. "Die Ungleichbehandlung von Männer- und Frauenberufen wird hier augenscheinlich", so Schönherr.

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Viele Überstunden

In den klassischen Frauenberufen gehören auch schwierige Arbeitszeiten, etwa Schicht- und Wochenenddienste, und viele Überstunden zum Alltag. Die hohe Arbeitsbelastung wikt sich wiederum negativ auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Wohlbefinden aus.

"Viele glauben nicht, dass sie es bis zur Pension durchhalten werden", so Schönherr. Auch die Corona-Krise habe zu einer überdurchschnittlichen Belastung in den systemrelevanten Berufen geführt, führt Schönherr weiter aus. "Während viele andere Berufe sicher in ihrem Homeoffice weiterarbeiten konnten, mussten diese Berufe weiter mit Menschen arbeiten und waren so einem höheren Risiko ausgesetzt. Hier wurde die soziale Ungleichheit schonungslos offengelegt".

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Faire Entlohnung statt Heldendenkmäler

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl verwies darauf, dass ein Beklatschen der systemrelevanten Berufe niemanden helfe. "Wir brauchen keine Heldendenkmäler". Stattdessen seien jetzt fairere Arbeitsbedingungen und eine bessere Entlohnung gefragt. "Die Kosten der Krise dürfen nicht die Arbeitnehmer zahlen – große Vermögen und Konzerne müssen gerechte Beiträge leisten. Nur so sind angemessene Gehälter in Gesundheit, Bildung und Kinderbetreuung möglich", so Anderl.

Die AK fordert einmal mehr die Umsetzung eines Mindestlohns von 1.700 Euro brutto im Monat in allen Kollektivverträgen. Den Versuch der Wirtschaftskammer, bei der Laudamotion einen Billig-KV durchzudrücken, der ein Netto-Gehalt von 800 Euro bedeutet hätte, bezeichnet sie als "Vertragsbruch". Die Mindestsicherung in Wien wäre damit höher als ein MIndestgehalt. "So geht das nicht".

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Für die vielen Teilzeitkräfte will die AK den Mehrarbeitszuschlag ab der ersten Stunde auf 50 Prozent anheben und den Durchrechnungszeitraum abschaffen. Jede Überstunde müsse bezahlt werden. Im Gesundheitssystem wiederum brauche es verlässliche Dienstpläne, um dauerndes Einspringen zu vermeiden. Die Erfahrung der Kurzarbeit müssten ferner für eine generelle Arbeitszeitverkürzung auf eine 35-Stunden-Woche führen, so Anderl.