Wirtschaft

Martin Hagleitner: "Ich bin ein Wut-Unternehmer"

Vor 161 Jahren, 1855, wurde in Knittelfeld die private Eisenbahngesellschaft StEG gegründet. Noch im selben Jahr ging das Unternehmen an die Börse und ist damit das älteste börsenotierte Unternehmen Wiens. Nach der Verstaatlichung der Eisenbahn Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Unternehmen in Austria Email umbenannt und konzentrierte sich auf die industrielle Produktion. Seit den 60er-Jahren werden ausschließlich Warmwasserspeicher hergestellt. Seit dem Vorjahr gehört der Konzern mehrheitlich dem französischen Boilerhersteller Groupe Atlantic. Im KURIER-Gespräch beklagt sich Austria-Email-Chef Martin Hagleitner heftig über die heimische Politik.

KURIER: Anfang März startete wieder die Förderaktion des Bundes für die thermische Sanierung. Das muss doch Ihrem Absatz in Österreich Auftrieb geben?

Martin Hagleitner: Im Prinzip ja. Aber die Mittel für den Sanierungsscheck wurden um die Hälfte gekürzt. Es bräuchte jedoch im Gegenteil mehr Förderungen und steuerliche Anreize oder auch die Einführung von regelmäßigen Checks für bestehende Anlagen. Fossile Kessel wären demnach zwingend auszutauschen. In Österreich wurde das alles verabsäumt. Daher liegt die derzeitige Sanierungsquote bei nur einem Prozent. Es bräuchte aber drei Prozent, um die Klimaziele zu erreichen. Der Reformstau in Österreich hat auch zu einem Sanierungsstau geführt.

Wie hoch sind die Ersparnisse bei einer Erneuerung des Warmwasser- und Heizsystems?

90 Prozent der Energiekosten eines Haushalts entfallen auf Warmwasser und Heizung. Mit einem neuen Heizkessel sind Einsparungen von sieben bis zehn Prozent möglich. Daher sollte verfügbares Geld nicht in die nächste Blase, sondern in die eigenen vier Wände investiert werden. Dies würde auch dem Arbeitsmarkt helfen.

Die Steuerreform soll ja ohnehin die Beschäftigung ankurbeln.

Die Steuerreform bringt maximal Tarifanpassungen. Das deklarierte Ziel, Arbeitnehmer, vor allem Ältere, zu entlasten, wurde verspielt, denn im Gegenteil, sie werden immer mehr geknechtet. Und mit ihnen die Dienstgeber. So muss Austria Email trotz eines Umsatzzuwachses einen Ergebnisrückgang hinnehmen, weil für die Jubiläumsgelder die Sozialabgaben erhöht wurden und wir Rückstellungen bilden mussten. Höhere Abgaben und Steuern werden dazu führen, dass noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen und viele Bürger in Abhängigkeit kommen.

Wie zufrieden sind Sie als Unternehmer mit dem Wirtschaftsstandort Österreich?

Er ist nicht abgesandelt, wie Wirtschaftskammerchef Leitl einmal sagte. Aber es sind Kräfte am Werk, die die Abhängigkeit vom Versorgungsstaat noch erhöhen wollen. Das System der Sozialpartner hat sich in der Nachkriegszeit bewährt, aber das ist vorbei. Zu viele hauptberufliche Funktionäre ohne Sachkenntnis sind tätig. Im Befund sind sich die meisten darüber einig. Bei der Wirtschaftskammer etwa muss man fragen, was hat sie für die Wirtschaft bewegt. Die Möglichkeiten, die sie hätte, hat sie ungenutzt verstreichen lassen.

Was wäre zu tun?

Verbraucher und Unternehmen müssen Anreize zu Konsum und Investitionen bekommen. Und wir müssen uns vom Stagnationskartell befreien. Ich hoffe, dass die Gemeinschaft aus großer Koalition und Sozialpartnerschaft bald ein Ende findet. Denn bis jetzt ist es ein verlorenes Jahrzehnt. Der Beschäftigungsgipfel war ein Maulwurfshügel, die Staats- und Schuldenquote steigen und auch bei der Pensionsreform ist nicht viel zu erwarten. Und die Erhöhung der Kapitalertragssteuer trifft nicht Spekulanten, sondern all jene, die privat vorsorgen. Während die EU bezüglich Steueroasen nichts unternimmt und sich von internationalen Konzernen vorführen lässt.

Was wünschen Sie sich von der Wirtschaftskammer?

Die Wirtschaft steht hierzulande unter Generalverdacht, es fehlt ein entsprechendes Gegengewicht seitens der Kammer.

Würden Sie sich als Wut-Unternehmer bezeichnen?

Ja, das kann man so sagen. Ich habe immer Vorschläge eingebracht, die nicht gehört wurden. Etwa die Mehrwertsteuer auf Sanierungen zu senken. Das würde den Pfusch eindämmen. Und warum konzentriert sich der Staat auf noch mehr Kontrollen und Vorschriften? Ich weiß von Installateuren, die wegen der hohen Auflagen in Insolvenz gehen. Oder keine Motivation mehr haben, ihren Betrieb an die Kinder zu übergeben. Das führt zu einem großen Unternehmersterben.

Wenn vieles so schlecht läuft in Österreich, überlegen Sie dann eine Verlagerung von Austria Email ins Ausland?

Nein, aber wir müssen uns in der Gruppe bewähren. Österreich nimmt Unternehmen in Geiselhaft, das müssen wir mit unserer Leistung einigermaßen neutralisieren.

Marktführer bei Boilern

Austria Email erzielte mit 334 Mitarbeitern 2014 (letzte verfügbare Zahlen) 58,1 Mio. Euro Umsatz und ein Ergebnis von 4,7 Mio. Euro. Die französische Groupe Atlantic hält 65 Prozent, 26 Prozent die Treibacher Holding, der Rest ist im Streubesitz. In Österreich ist Austria Email Marktführer bei Boilern. Das Produktportfolio der Franzosen ist laut Hagleitner eine Ergänzung. Er ist seit 2010 Austria-Email-Chef. Zuvor war er Geschäftsführer des Malik Management Zentrums St. Gallen. Begonnen hat er seine Karriere im Außenministerium.