"Madame Soula“ und der Fußball
Sechs der vergangenen zehn Spiele hat die Mannschaft des Fußballvereins Voukefalas verloren. Doch das stört die Amateure der lokalen Liga im zentralgriechischen Larissa nicht besonders. Immerhin, es gibt ihn noch, den kleinen Verein, der vor der Pleite stand, als sein bisheriger privater Geldgeber krisenbedingt das Handtuch warf.
Dass sie heuer dennoch weiter trainieren kann, verdankt die Elf niemand anderem als einer der verruchtesten Frauen der Stadt: Nobelbordell-Besitzerin Soula Alevridou alias „Madam Soula“ sprang rettend ein.
So weit, so ehrenhaft, wären da nicht die neuen Dressen der Mannschaft: Die 67-jährige frühere Prostituierte ließ „ihr Team“ mit rosaroten Hosen und Leiberln ausstatten. Auf denen steht unübersehbar gedruckt: „Villa Erotica“ – eines der berüchtigten Etablissements, mit denen „Madam Soula“ ihr Geld verdient.
Die Fußballspieler selbst haben kaum Probleme damit: „Madam Soula ist ein großartiger Mensch, sie hat uns geholfen, ohne viel nachzufragen“, verteidigt auch Voukefalas-Präsident Ioannis Batziloas gegenüber der New York Times die Rettungsaktion der griechischen Bordellbesitzerin. Schließlich würde die nationale Fußballliga von den staatlichen Lotterien und einer Wettagentur gesponsert. „Was ist die bessere Idee, um sie zu promoten“, fragt Batziloas: „Spielen oder Sex?“
Ganz anders aber sieht dies die Fußball-Liga von Larissa. Die droht den Amateuren von Voukefalas mit disziplinären Strafen wegen „Diffamierung des Sports“, sollten die Fußballer mit ihren „Villa-Erotica“-Dressen zu einem Match erscheinen.
Weißes Kreuz
Probleme haben die Liga-Funktionäre auch noch mit einer weiteren Amateurmannschaft, die bei der verzweifelten Suche nach einem liquiden Sponsor Kreativität bewiesen hatte: Der FC Palaiopyrgos lässt sich von einem Bestattungsinstitut unterstützen – und trägt seither schwarze Leiberl mit einem weißen Kreuz darauf.
Prostitution ist in Griechenland nicht verboten, Bordelle dürfen legal besucht werden. Dass ihr Sponsoring so großen Anstoß erregt, wundert die 67-jährige, schmale „Madam Soula“. „Hätte der Club sonst irgendjemand gefunden, der den Spielern geholfen hätte?“ ließ sie ihren Kritikern ausrichten.
Wortlos abgelehnt hat ihr Hilfsangebot auch eine Schule in der Hafenstadt Patras. Die Schule, die landesweit ein SOS ausgeschickt hatte, nachdem kein Geld mehr da war für Bücher und Kopien, erhielt einen 3000-Euro-Scheck von Soula Alevridou. Doch der kam postwendend zurück. Noch heute sei sie traurig darüber, erzählte sie einer Reporterin der New York Times. „Die Schule sollte doch an die Kinder denken. Wie hätten die je erfahren, dass das Geld von mir kam?“
Auch in ihren Etablissements sei die Krise zu spüren, meint die Bordellbesitzerin. „Aber nicht so sehr. Viele Kunden fliegen aus dem Ausland ein.“
Im Osten der griechischen Halbinsel Chalkidike wird gebohrt und gesprengt. Die Firma Hellas Gold führt gerade Vorarbeiten für ihr Minen-Projekt durch, ab 2015 soll es dann richtig losgehen mit dem Goldrausch. 230 Tonnen des edlen Metalls seien sicher nachgewiesen, wird ein Unternehmenssprecher im deutschen Handelsblatt zitiert, dazu 1500 Tonnen Silber, 740.000 Kupfer und 1,5 Millionen Blei. Allein das Gold hat nach heutigen Marktpreisen einen Wert von fast zehn Milliarden Euro.
Verläuft alles nach Plan, wird Griechenland 2016 zwölf Millionen Tonnen Gold pro Jahr fördern – und damit zum größten Produzenten Europas aufsteigen. Derzeit ist das Finnland mit einer jährlichen Fördermenge von acht Tonnen. Der Region, in der bereits zu Zeiten Alexander des Großen nach Metallen geschürft wurde, werde das Arbeitsplätze und einen wirtschaftlichen Aufschwung bringen, betont man seitens Hellas Gold, und dem Staat zusätzliche Steuereinnahmen.
Dennoch ist das Projekt nicht unumstritten. Die örtliche Bürgerinitiative „Nein zum Goldabbau“ befürchtet eine Verschmutzung des Meeres und der Landschaft durch toxischen Staub. Die Aktivisten berufen sich dabei auf Studien der Universität Thessaloniki. Das Unternehmen, das die Minen 30 Jahre lang betreiben will, weist die Vorwürfe zurück: Das gefürchtete Zyanid, mit dem Gold vom Gestein getrennt wird, komme gar nicht zum Einsatz. Eine neue Methode sei umweltverträglich.
Giorgos Nikolaidis führt durch eine Werkhalle mit ohrenbetäubendem Lärm. Seine Fabrik im nordostgriechischen Komotini stellt Düngemittel und PVC-Film her. Seine Waren sind gefragt, auch im Ausland, Nikolaidis’ Auftragsbücher sind voll. Dennoch arbeiten in der Halle nur die Hälfte der Maschinen. Der Grund: Fabrikbesitzer Giorgos Nikolaidis hat Mühe, an Rohstoffe zu kommen.
„Einerseits vergeben die Banken keine Kredite, andererseits wollen die Rohstofflieferanten bar bezahlt werden. Für einen Unternehmer ist das schlicht der Albtraum“, klagt Nikolaidis. „Ich könnte verkaufen, ich könnte Umsatz machen, aber mir fehlt das Kapital für die Rohstoffe. Das ist eine Katastrophe!“
Nikolaidis hat Exportaufträge im Wert von 15 Millionen Euro. Stattdessen exportiert er nur für drei Millionen Euro. Und anstatt sieben Tage die Woche sind seine Maschinen nur fünf Tage in Betrieb. Sinkende Einnahmen, dazu steigende Zinsen, Energiekosten und Steuern, Giorgos Nikolaidis weiß nicht, wie
lange er noch durchhalten wird.
Zu teuer produziert
Das Industriegebiet im Nordosten Griechenlands, in dem Giorgos Nikolaidis’ Fabrik gelegen ist, wirkt wie eine Geisterstadt: Verlassene Fabriksgebäude, Verkaufsschilder, rostende Lastenkräne. Rund 100 Fabriken und Industriebetriebe haben hier vor zehn Jahren noch Waren produziert. Mit dem Euro kam der erste Schlag: die griechischen Produkte wurden zu teuer. Dann kam die Krise.
„Heute stehen auch die letzten wettbewerbsfähigen Unternehmen vor dem Aus“, sagt Chryssa Ioannou, Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer von Komotini. „Im Industriegebiet sind noch rund zehn Fabriken in Betrieb, nur ein Drittel davon sind Exportunternehmen. Denn unsere Unkosten sind so stark gestiegen, dass unsere Produkte auf dem internationalen Markt nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Schuld daran sind die Kosten, die die Bürokratie verursacht, und in großem Maße die neuen und immer höheren Steuern sowie die steigenden Energiekosten.“
Chryssa Ioannou stellt tiefgefrorenes Gemüse her. Ihre Produktionskosten liegen heute um rund 30 Prozent höher als vor der Krise. Der einzige Posten, den Chryssa Ioannou nicht angerührt hat, sind die Löhne. Deren Absenkung hält die Unternehmerin für kontraproduktiv – und für einen Tropfen auf den heißen Stein.
Auch der Düngemittelhersteller Giorgos Nikolaidis zahlt seinen Angestellten die gleichen Löhne wie vor der Krise, und auch er hofft auf Reformen und Bürokratieabbau, vor allem aber darauf, dass die Banken nach der anstehenden Refinanzierung wieder Kredite ausgeben. Er schaut sich in der Werkhalle um. Dort, wo die fertigen Waren lagern müssten, herrscht gähnende Leere: „Mir blutet das Herz. Ich bin siebzig Jahre alt und fürchte nun, alles zu verlieren. Und ich frage mich: War alles, was ich geschaffen habe, flüchtig, war mein Leben umsonst?“ (Alkyone Karamanolis, Komotini)