"Lucky Strike" in der Tabakindustrie
Von Christine Klafl
Vorbei die Zeiten, in denen der Kommissar eine Zigarette im Mundwinkel brauchte, um im Hauptabendprogramm den Mordfall zu lösen. Vorbei die Zeiten, in denen Rauchschwaden durch sämtliche Gaststuben waberten und die Plakatwände mit Zigarettenwerbung vollgeklebt waren. Rauchbeschränkungen oder -verbote, Steuererhöhungen und Schockbilder auf den Packerln haben zum Teil zu einer Änderung des Konsumverhaltens geführt. Jedenfalls aber agiert die Industrie jetzt anders. Sie versucht durch Fusionen, die Kosten zu reduzieren und die Marktanteile in Weltteilen zu erhöhen, wo der Politik Glimmstängel noch relativ egal sind.
Jüngstes Beispiel aus dem Fusionskarussell in der internationalen Tabakindustrie: Der Konzern British American Tobacco (BAT) gab am Freitag bekannt, den US-Camel-Hersteller Reynolds komplett inhalieren zu wollen. 42,2 Prozent an Reynolds gehören BAT bereits. Den Rest will er sich jetzt 47 Milliarden US-Dollar (42,8 Mrd. Euro) kosten lassen. Zu BAT gehören Marken wie Lucky Strike, Dunhill oder Kent.
Zigarettenspitze
Durch die Übernahme würde laut BAT der nach Umsatz und Gewinn größte börsenotierte Tabakkonzern der Welt entstehen. Die Kombination der beiden Unternehmen stärke das Geschäft für die Zukunft, betonte BAT-Chef Nicandro Durante. Mit der Zukunft meint Durante nicht so sehr die Marktspitze in den USA, die die beiden Konzerne gemeinsam erglimmen werden. Viel wichtiger ist, dass sich die Präsenz in Schwellenländern in Südamerika, Afrika, dem Nahen Osten und Asien verbessern wird. Dort soll die nachlassende Nachfrage in Europa ausgeglichen werden.
Weniger Absatz
Durch Rauchverbote und angehobene Tabaksteuern ist der Zigarettenabsatz in vielen europäischen Ländern zurückgegangen. BAT etwa verkaufte im Vorjahr 23 Milliarden Zigaretten in Westeuropa, um 17 Prozent weniger als vier Jahre davor. Viele von denen, die sich das Rauchen scheinbar abgewöhnt haben, kann die Industrie aber nach wie vor zu ihren Kunden zählen – durch den Konsum von Elektro- oder Hybridzigaretten.
Wie sehr Alternativen zum klassischen Tschick gefragt sind, zeigt ein 27 Milliarden US-Dollar schwerer Deal aus dem Vorjahr. Das jetzige Übernahmeziel Reynolds America, die Nummer 2 auf dem US-Markt, hatte grünes Licht dafür bekommen, seinen Konkurrenten Lorillard, die Nummer 3, zu schlucken. Reynolds musste zwar einige Lorillard-Marken (etwa Winston oder Maverick) weiterverkaufen, um die US-Kartellbehörde zu beruhigen. Übrig blieb aber trotzdem ein netter Marktanteil und, was ganz wichtig war, das begehrte Geschäft mit den E-Zigaretten von Lorillard. Elektrische Tschick gelten als der am schnellsten wachsende Markt in Sachen Rauchen und Dampfen.
Für Österreich gibt es hier nur Schätzungen, weil es keine Gesamtverkaufszahlen gibt. Laut Ralf-Wolfgang Lothert, Sprecher von Japan Tobacco International (JTI) in Österreich, liegen die Steigerungsraten bei den heimischen Absätzen von Liquids zum Dampfen bei 30 bis 70 Prozent jährlich. In Österreich hat die JTI – zu der auch die Austria Tabak gehört – als erstes großes Tabakunternehmen mit "Logic Curv" eine E-Zigarette ins Portfolio aufgenommen. Der Dampfer-Markt in Österreich dürfte derzeit 15 bis 20 Millionen Euro schwer sein und hat schon viele Anbieter angezogen.
Hybride
Als weitere Alternative zum klassischen Glimmstängel bieten immer mehr Tabakkonzerne so etwas wie "Hybrid-Zigaretten" an. Dabei ist pulverisierter Tabak in kleinen Kapseln abgefüllt und wird in einem Spender erhitzt. Die Produkte basieren auf Verdampfungstechnik, der Tabak wird erhitzt, verbrennt aber nicht. Dieses Marktsegment hat die JTI mit "Ploom" besetzt.
Finanzminister Hans Jörg Schelling muss sich trotzdem keine Sorgen machen, dass bald alle Raucher ihrem Laster abschwören. In den Vorjahren war der Absatz in Österreich leicht rückläufig bis stabil. Im laufenden Jahr lagen die Tabaksteuereinnahmen (Stand August) sogar um 3,4 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum.
An der Wiener Börse gibt es kein Tabakunternehmen mehr, sehr wohl aber an anderen Börsen. An der Wall Street stiegen Reynolds vorbörslich um mehr als 20 Prozent auf ein Rekordhoch und steuerten damit auf den größten Tagesgewinn der Firmengeschichte zu.