Leichtfrieds Abgasstrategie: "2030 nur noch abgasfreie Autos"
Von Franz Jandrasits
KURIER: Sie wollen in einem österreichischen Dieselgipfel Ende August die Autoindustrie zumindest zu den gleichen Maßnahmen verpflichten wie in Deutschland. Das wird aber nicht ausreichen, um die Umwelt langfristig zu verbessern.
Jörg Leichtfried: Das ist nur ein erster Schritt. Was wir noch tun werden: Im Herbst werden wir mit allen Stakeholdern, also Industrie, NGOs, Bundesländern, Autofahrerklubs, eine Abgasstrategie 2030 entwickeln. Wir werden einen konkreten Weg festlegen, wie 2030 nur noch abgasfreie Autos neu angemeldet werden.
Also eine Umstellung auf Elektro-Autos?
Nicht nur, das Ergebnis sollte technisch neutral sein. Das wird davon abhängen, wie weit die Wasserstoff-Technologie ist. Oder wie es mit dem Einsatz von synthetischen und nachhaltigen biologischen Kraftstoffen aussieht. Diese Arbeit ist jetzt leider durch die Wahl unterbrochen worden.
Wenn die SPÖ aber nicht mehr in der nächsten Regierung ist, sind diese Pläne dann nur noch Schall und Rauch...
Das Schöne an der Demokratie ist, dass die Wähler die Politik bekommen, die sie mehrheitlich wählen. Und ich gehe davon aus, dass die Österreicher sich mehrheitlich für eine ökologische Verkehrspolitik entscheiden.
Davon hat der österreichische Autofahrer, der mit einem Software-Update abgespeist wird, aber jetzt einmal nichts. Warum gibt es keinen Schadenersatz?
In Österreich gibt es die Möglichkeit der Sammelklagen in der Form wie in Amerika nicht. Das war geplant und ist so auch im Regierungsübereinkommen enthalten, ist aber am nachhaltigen Widerstand der ÖVP gescheitert. Aber es gibt ja schon Klagen gegen VW.
Ist am Diesel-Desaster nicht auch die EU mitschuld, die jahrelang nichts oder zu wenig getan hat?
Ich habe mit den EU-Kommissarinnen schon Kontakt aufgenommen. Beide haben mir zugesichert, dass sie mit großer Energie ermitteln. Ich erwarte mir schon, dass es europäische Maßnahmen gibt, sowohl was die Abgasmanipulationen als auch was die Kartellvorwürfe betrifft. Da muss die EU zeigen, dass sie funktioniert. Ich werde auch Druck aufbauen, damit da was passiert.
Wird Österreich künftig eigene Abgastests machen, bevor Autos zugelassen werden?
Bei den Zulassungen gilt in der EU das Herstellerland-Prinzip. Das heißt, wenn ein Fahrzeug in seinem Herstellerland zugelassen ist, gilt diese Zulassung auch für alle anderen EU-Länder. Aber wir werden bald unsere eigenen Abgastests machen. Und dann werde ich auch rechtliche Konsequenzen dafür vorschlagen, wenn Höchstwerte nicht eingehalten werden.
Wie sollen die aussehen?
Fahrzeuge, die der Norm nicht entsprechen, dürfen nicht weiter auf den Markt gebracht werden. Bei den Fahrzeugen, die bereits unterwegs sind, muss mittels Nachrüsten auf Kosten der Hersteller sichergestellt werden, dass die Normen erfüllt werden. Sonst dürfen sie nicht weiter fahren.
Mit den Fahrverboten bestrafen Sie aber in erster Linie die Konsumenten...
Mit diesen Fahrverboten muss natürlich verbunden sein, dass die, die in gutem Glauben ein Auto gekauft haben, schadlos gehalten werden. Am Ende muss es so sein, dass die Maßnahmen vom Autohersteller zu treffen sind, mit voller Haftungsübernahme.
Zu einem anderen Thema: Die österreichische Industrie und auch Ihr bisheriger Regierungspartner ÖVP beklagen immer lauter, dass Österreich international an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Hat die Regierung zu wenig dafür getan?
Man sollte sich einmal die Realität ansehen. Die österreichische Industrie zählt in vielen Bereichen zu den wettbewerbsfähigsten weltweit. Wenn man sich die Exporterfolge ansieht, sieht man, dass wir oft auch die Deutschen ausstechen. Das ist ein Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Wissenschaft und auch dem Staat, der die Forschung fördert. In dieser Kombination ist es uns in vielen Bereichen gelungen, nicht nur zur Weltspitze aufzuschließen, sondern Weltspitze zu sein. Statt zu jammern sollte man überlegen, wie wir noch besser werden können. Ich würde der ÖVP raten, bei den Fakten zu bleiben und nicht zu sehr zu jammern. Das könnte dem guten Ruf unserer Industrie schaden.
Aber die Digitalisierung wird Arbeitsplätze kosten, und dann ist vielleicht die Arbeitszeit nicht flexibel genug?
Wir haben mehrere Studien zur Digitalisierung in Auftrag gegeben. Diese zeigen ganz klar: Es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Wenn man die Digitalisierung ignoriert, wird sie auf jeden Fall Arbeitsplätze kosten. Wenn man versucht, nur Rationalisierungseffekte daraus zu lukrieren, auch. Aber wenn man versucht, Frontrunner (Spitzenreiter, Anm.) zu werden, dann bekommen wir in Österreich mehr und attraktivere Arbeitsplätze.
Kann man Frontrunner sein, wenn man nicht flexibel genug arbeiten kann?
Flexibilisierung ist keine Einbahnstraße. Wenn Arbeitnehmer und Unternehmen profitieren, kann man dieses Problem lösen. Natürlich erfordert es diese Einsicht auf beiden Seiten. Ich glaube nicht, dass auf der Arbeitgeberseite diese Einsicht fehlt.
Die Gewerkschaften haben für ihr Klientel mit der Einigung auf 1500 Euro Mindestlohn etwas bekommen. Die Wirtschaft hat keine flexibleren Arbeitszeiten bekommen ...
Ich glaube nicht, dass man die beiden Dinge im Zusammenhang sehen muss. Die Leute müssen von ihrer Arbeit gut leben können. Deshalb muss man bei der Arbeitszeit-Diskussion meiner Meinung nach schon auch über Gegenleistungen für zusätzliche Flexibilität bei der Arbeitszeit reden.
Voraussetzung für die Digitalisierung ist ein funktionierendes Breitbandnetz. Da gibt es viel Kritik, dass das Netz noch sehr löchrig ist. Reicht die Breitband-Milliarde für den Ausbau?
Die Breitband-Milliarde war nie dazu gedacht, eine Vollfinanzierung der Anschlüsse zu garantieren. Sie wurde geschaffen, um den Ausbau auch dort zu ermöglichen, wo es sich für die Unternehmen wirtschaftlich nicht rechnet. Für einen echten Vollausbau müsste man die zehnfache Summe zur Verfügung stellen.