Wirtschaft

Lebensmittelindustrie kritisiert "Angstmache"

Beim Chlorhuhn geht es um eine Oberflächenbehandlung und genauso verläuft auch die Debatte um TTIP", ärgert sich Josef Domschitz vom österreichischen Fachverband der Lebensmittelindustrie, der damit den deutschen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt zitiert.

Die "Angstmache" rund um das Freihandelsabkommen mit den USA vergleicht der Fachverband mit jener vor dem EU-Beitritt und der EU-Osterweiterung. "Damals wurde sogar vor der Blutschokolade gewarnt, die nie gekommen ist, und vor Billigware aus dem Ausland, die uns überrollt. Das Gegenteil war der Fall", sagt auch Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin vom Fachverband der Lebensmittelindustrie, am Rande der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin.

Export verfünffacht

"Obwohl die Kaufkraft in allen zehn Ländern der Osterweiterung niedriger ist als in Österreich, liefern wir mehr Lebensmittel ,Made in Aus-tria‘ in diese Märkte, als wir von ihnen beziehen", bemüht Koßdorff die Statistik. Seit dem EU-Beitritt haben sich Österreichs Lebensmittelexporte verfünffacht. Freihandelsabkommen mit Ländern des Westbalkans hätten nie zu einer Aufweichung der Lebensmittelstandards geführt, so ihre Argumente.

Zwei von drei Lebensmitteln "Made in Austria" gehen ins Ausland. Das Exportvolumen beträgt 5,4 Milliarden Euro. Daher spricht sich der Branchenverband für ein Handelsabkommen mit den USA aus. Es geht um den Abbau von Zöllen, die Vereinfachung von Zulassungsverfahren und den Erhalt der Lebensmittel-Standards. "Ein erleichterter Handel zwischen der EU und den USA setzt wichtige wirtschaftliche Impulse für die exportorientierte österreichische Lebensmittelindustrie. Das Schutzniveau unserer hochwertigen Lebensmittel darf aber nicht infrage gestellt werden", so der Branchenverband. Als Vorbild wird der Handel mit Bioprodukten bemüht, bei dem sich die USA und EU bereits 2012 auf gegenseitige Anerkennung ihrer Zertifizierungen geeinigt haben.

Angst, dass rot-weiß-rote Betriebe von Billigware – Stichwort Chlorhuhn – und gentechnisch veränderten Lebensmitteln aus den USA überrollt werden, haben die Industrievertreter nicht. Domschitz: "Das ist bei der Osterweiterung auch nicht passiert, obwohl viele Produkte aus den betroffenen Ländern billiger waren und die Transportkosten und Transportwege keine Rolle gespielt haben."

Auch die Angst, dass die USA die hohen Qualitätsstandards in Europa im Freihandelsabkommen wegdiskutieren werden, lässt Koßdorff nicht gelten. "Wir haben eine gute Verhandlungsposition. Mit 500 Millionen Konsumenten in der EU sind wir für die USA ein interessanter Markt." Sie hofft auf "mehr Sachlichkeit und weniger Panikmache". EU-Agrarkommissar Phil Hogan betonte auf der Grünen Woche, dass die EU in den Verhandlungen nicht alle Forderungen der USA akzeptieren werde.

Agrarminister Rupprechter ist "nicht grundsätzlich gegen TTIP. Die hohen Standards der Lebensmittelproduktion dürfen aber nicht auf dem Altar des Freihandelsabkommens geopfert werden", sagt er in Berlin.

Geht es nach den Vorstellungen von Bauernbund-Präsident Jakob Auer, soll es bis spätestens Ende 2015 eine Export-Agentur für österreichische Lebensmittel geben. Der Grund: Immer wieder buhlen österreichische Hersteller im Ausland um Kunden, unterbieten sich gegenseitig und setzen so eine Abwärtsspirale beim Preis in Gange, sagt Auer bei einer Pressekonferenz auf der Grünen Woche in Berlin. Dieses "Einzelkämpfertum" will er vermeiden, indem künftig nur noch ein Verkäufer der Agentur für mehrere Hersteller auf Fernmärkte fährt. Der Agrarexport "gehört in professionelle Hände gebündelt", so Auer. Agrarminister Andrä Rupprechter kann sich eine Ansiedlung der Agentur bei der Außenwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich vorstellen. AMA-Chef Michael Blass sieht die geplante Agentur jedenfalls nicht als Konkurrenz zur AMA. Diese sei zwar für Absatzförderung, aber nicht für den direkten Verkauf von Lebensmitteln zuständig.

Österreich ist auf der Grünen Woche unter anderem mit Produkten wie der Wachauer Marille, eine geschützte geografische Angabe, vertreten. Kammerpräsident Hermann Schultes fordert einen Bürokratie-Abbau bei der Zulassung solcher Herkunftszeichen, die er auch als "Kopierschutz vor billiger Nachahmung" sieht. Derzeit gibt es 14 solcher Kennzeichnungen in Österreich, Schultes kann sich bis zu 50 vorstellen.