Kurzarbeit: AK hat bei 35 Firmen Verdacht auf Missbrauch
Möglichst viele Arbeitsplätze retten, damit die Unternehmen nach dem verordneten Coronastillstand rasch wieder durchstarten können: Das ist das Ziel der Kurzarbeitsmodelle, die nahezu alle Länder in Europa derzeit umgesetzt haben.
Österreich hat dabei eine der großzügigsten staatlichen Regelungen getroffen. Das geht allerdings kräftig ins Geld: Schon zwei Mal musste der Rahmen ausgeweitet werden, mittlerweile stehen drei Milliarden Euro dafür zur Verfügung.
Allerdings könnte das auch manche Unternehmen zu Missbrauch verleiten, die Personalkosten auf den Staat überwälzen wollen.
Bei der Arbeiterkammer (AK) seien Anrufe von hunderten Beschäftigten eingegangen, die vermuten, in ihrem Betrieb könnte etwas bei der Kurzarbeit im Argen liegen. Das berichtete Gernot Mitter, Arbeitsmarktexperte der AK Wien, im Ö1-Morgenjournal. Die AK betreibt eine Informations-Hotline unter der Nummer 0800-22 12 00 80 und informiert auf einer eigenen Info-Webseite (jobundcorona.at).
Viele Arbeitnehmer hätten berichtet, dass sie derzeit mehr arbeiten müssen, als im Zuge der Kurzarbeit vereinbart worden sei.
Dabei handelt es sich allerdings noch nicht sofort um Missbrauch oder Betrug, betont Mitter. Auch wer zu 50 Prozent angemeldet ist, könne vorerst zu 100 Prozent weiterarbeiten. Denn abgerechnet wird erst am Ende der Kurzarbeitsperiode von drei Monaten.
Erst, wenn ein Unternehmen die Arbeitszeiten beim Arbeitsmarktservice (AMS) einreicht, wäre ein Verstoß feststellbar.
Nichts Falsches notieren
Mit Sicherheit nicht zulässig ist es jedoch, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter dazu auffordern, falsche Arbeitszeiten zu notieren. Da habe man konkrete Hinweise auf 35 Firmen erhalten, so Mitter. Diese würden nun verstärkt beobachtet.
Mehr als 26.000 Firmen haben in Österreich Kurzarbeit beantragt. "Leider sind immer welche darunter, die das System ausnutzen wollen", sagte dazu AK-Chefin Renate Anderl.
Das wäre schwerer gewerbsmäßiger Betrug und mit einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren Haft zu ahnden. Auch Arbeitnehmer, die mitspielen, könnten sich strafbar machen. Deshalb fordert Mitter dazu auf, nur die tatsächlich geleistete Arbeit zu notieren.
"Null Verständnis"
In der Wirtschaftskammer (WKO) tut man sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer mit den Vorwürfen. WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf hat "wenig Verständnis für pauschale Verdächtigungen". Für schwarze Schafe habe er "null Verständnis", falls Unternehmen tatsächlich das Instrument der Kurzarbeit missbrauchen.
Das lasse sich jetzt aber noch gar nicht festmachen: "Missbrauch wäre es dann, wenn am Ende über die ganze Periode hinweg mehr gearbeitet wurde und vom Betrieb mehr abgerechnet wird als jene Arbeitszeit, die tatsächlich ausgefallen ist", sagte Kopf im Morgenjournal.
Es liege aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine einzige Abrechnung vor. Kopf vermutet ebenfalls, dass Arbeitnehmer durch die Durchrechnung verwirrt sein könnten, wenn sie anfangs mehr arbeiten müssen, als die Kurzarbeitsregelung eigentlich vorsieht.
Großzügige Regelung
Kurzarbeit hatte sich nach der Finanzkrise 2009 in Deutschland und Österreich vor allem in der Industrie bewährt, um in der Schwächephase der Produktion möglichst viele Jobs zu erhalten.
Das ist auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, denn neue Mitarbeiter zu finden ist aufwändig und teuer: Laut Arbeitsökonom Rudolf Winter-Ebmer von der Johannes-Kepler-Universität muss ein Unternehmen für die Rekrutierungskosten im Schnitt drei bis vier Monatsgehälter kalkulieren.
Die Denkfabrik Agenda Austria hat die europaweiten Modelle verglichen und kam zum Schluss, dass die Regelung in Österreich zu den großzügigsten zählt: In Irland erhalten Arbeitnehmer zwar 100 Prozent ihres Nettogehalts ersetzt, dabei muss aber der Arbeitgeber weiterhin 30 Prozent beitragen. In Österreich werden je nach Höhe 80 bis 90 Prozent ersetzt. In Deutschland seien es nur mindestens 60 bis 67 Prozent.