Arbeiter nutzen Angebote nicht
Von Nicole Thurn
Auf den ersten Blick scheint das Engagement überbordend: 97 Prozent der österreichischen Firmen bieten ihren Mitarbeitern Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage unter 500 heimischen Personalchefs.
Wer genauer hinschaut, erkennt: Es kommt darauf an. Jedes zweite Unternehmen bietet Teilzeit und Gleitzeit an. Elternteilzeit gibt es in jedem dritten Unternehmen, Väterkarenz wird in immerhin 23 Prozent der Unternehmen angeboten. In anderen Bereichen sind nur wenige Firmen aktiv (siehe Grafik). Nur 16 Prozent bieten die Möglichkeit zu Heimarbeit, sieben Prozent haben Betriebskindergärten errichtet, nur vier Prozent lassen Auszeiten vom Job (Sabbaticals) zu.
Karenz ohne Väter
Noch überraschender ist: Dort, wo es Maßnahmen zu Vereinbarkeit von Beruf und Familie gibt, werden sie von den Mitarbeitern zum Teil kaum in Anspruch genommen.
In nur fünf Prozent der Firmen mit Väterkarenz wird diese auch von den Vätern genutzt, Elternteilzeit nehmen die betroffenen Mitarbeiter nur in 19 Prozent der Unternehmen sehr gut an.
Hannes Knett, WIFI-Bildungsexperte und Sprecher der Plattform für berufsbezogene Erwachsenenbildung, die die Studie in Auftrag gegeben hat, spricht vom „Zweiweltenschema“ – nämlich Arbeitsplatz und Privatleben: „Mitarbeiter haben aus unterschiedlichen Motiven Bedenken, Probleme der Privatsphäre – wie die Betreuung der Kinder – ins Arbeitsleben zu übertragen.“ Eine österreichische Mentalität, die auch auf die Unternehmenskultur abfärbe. Ein zweiter Grund, warum Mitarbeiter auf Elternteilzeit und Väterkarenz verzichten: „Wo immer diese Maßnahmen ökonomische Konsequenzen haben, beeinflusst das die Entscheidung der Mitarbeiter.“ Heißt: Weniger Einkommen ist abschreckend.
Nur in jedem zweiten Unternehmen, das Veranstaltungen zu Burn-out-Prävention anbietet, werden sie von den Mitarbeitern auch besucht. Hannes Knett führt es auf die abschreckende Wirkung solcher Veranstaltungen zurück, die Mitarbeiter würden sich verständlicherweise ungern als Burn-out-gefährdet outen wollen. Doch: „Wenn solche Veranstaltungen in andere Weiterbildungsmaßnahmen eingebettet werden, werden sie auch leichter angenommen.“
Bei den Mitarbeitern sehr beliebt seien Teilzeitmodelle und Gleitzeit – in etwa drei Viertel der anbietenden Unternehmen wird das Angebot gut genutzt.
Subtil und intensiv
In erster Linie seien die Unternehmen gefragt, ihren Mitarbeitern die Maßnahmen schmackhaft zu machen, sagt Knett. Die Kommunikation über die bestehenden Maßnahmen lasse in den Unternehmen noch zu wünschen übrig: „Es ist aber Aufgabe der Betriebe, die Maßnahmen intern so zu kommunizieren, dass es keine Vorbehalte gibt.“ Die Firmen müssten ihre Angebote einerseits intensiver, in anderen Fällen auch subtiler kommunizieren, um die Nachfrage zu steigern. Mit Awareness-Veranstaltungen könne die Unternehmenskultur positiv verändert, Mitarbeiter und Führungskräfte für das Thema Work-Life-Balance sensibilisiert werden.
Manchmal hilft auch ein gewisser Druck. Um Schwung in die Unternehmenskultur zu bringen, sei es am besten, „proaktiv an die Herausforderung heranzugehen“, sagt Knett: Dass Unternehmen den Audit Beruf und Familie durchführen – „um sich bei den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen“. Auch die Teilnahme an Staatspreisen sorge für Antrieb, sagt Knett.
Dass auch Förderungen viel bewirken könnten, lässt die Studie vermuten: Zwei Drittel der Firmen sagen, sie würden mehr in Weiterbildung investieren, wenn sie mehr Zuschüsse bekämen.