Wirtschaft/Karriere

„Wir Frauen müssen uns trauen“

In der Abteilung Elektronik des Schlüsselproduzenten EVVA arbeiten ausschließlich Frauen. Es ist ruhig, anders als einen Stock tiefer, wo die Maschinen dröhnen. Dorota Pytel ist hier Mechatronikerin. Jahrelang wischte sie Böden in fremden Haushalten, kellnerte in Lokalen. Heute lötet und schraubt sie an Hightech-Schlössern. Ihre Ausbildung begann die 42-Jährige 2010. Sie sagt: „Frauen müssen sich mehr trauen.“

1 Frau Pytel, warum wollten Sie Mechatronikerin werden?

Im Wort steckt „Mechanik“ und „Elektronik“: Ich wollte beides – mit Gleitstrom, Computer und den Händen arbeiten.

2 Warum wollten Sie in den technischen Bereich wechseln?

Mich haben schon als Kind Bausteine mehr interessiert als Puppen. Der Puppe habe ich die Haare abgeschnitten, nicht, um Friseurin zu spielen, sondern um zu sehen, wann sie wieder wachsen. Aus einem Forscherdrang heraus. Ich habe auch als Produktionsgehilfin in einer Lampenfirma gearbeitet, das Technische hat mich interessiert. Nach der Karenz habe ich der AMS-Beraterin gesagt, ich will in die Technik.

3 Wenn Sie Ihre jetzige Arbeit mit Ihrer früheren als Haushaltsgehilfin vergleichen: Was ist der schönste Unterschied?

Als Mechatronikerin kann ich etwas produzieren, erschaffen. Man hat ein Erfolgserlebnis. Beim Staubsaugen sieht es gleich wieder schmutzig aus, wenn die Kinder kommen.

4 Ihre größte Herausforderung bisher?

Ich bin alleinerziehend, meine Tochter ist sechs. Nach der Ausbildung habe ich eine Stelle mit passenden Arbeitszeiten gesucht, das war nicht einfach. Bei EVVA gibt es Gleitzeit, die Firma ist familienfreundlich.

5 Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?

Ich komme zwischen 7.00 und 7.15 Uhr in die Arbeit. Meist liegt schon eine Bestellung der Forschungsabteilung auf dem Tisch. Gerade arbeiten wir am neuen Produkt AirKey – das Handy ist der Schlüssel. Ich baue Bauteile und Produkt zusammen, teste, ob es funktioniert.

6 Welche Fähigkeiten brauchen Sie für den Job?

Man muss geduldig sein, nicht alles funktioniert sofort. Man braucht Ausdauer – und echtes technisches Interesse.

7 Was sagen Sie Leuten, die meinen, Frauen seien meist nicht an Technik interessiert?

Die Frauen sind sehr wohl interessiert, sie sollten sich nur mehr trauen, es ausprobieren. Ich bin froh, dass ich in meiner Ausbildung Trainer hatte – Männer –, die gesagt haben: Traut euch, ihr schafft das schon. So große Unterschiede gibt es ja nicht zwischen Männern und Frauen – wobei, ein paar gibt es schon.

8 Welche?

Frauen sind geduldiger, arbeiten konzentrierter. Aber ich will nicht für Unmut sorgen (lacht). Sie arbeiten nicht besser als Männer, nur anders.

9 Was sagen Ihre Familie, Ihre Freunde zur Berufswahl?

Mein Vater ist Schweißer, er ist sehr stolz auf mich. Viele fragen, was Mechatronik genau ist. Die Männer lächeln meist nur. Wahrscheinlich, weil sie es mir nicht ganz zutrauen.

10 Was mögen Sie am Job?

Es wird nie langweilig. Ich habe viele unterschiedliche Aufgaben, es ändert sich ständig was.

11 Was mögen Sie nicht?

Wenn ich mal nichts zu tun habe.

12 Wie viel verdienen Sie?

Genug, damit ich gut leben kann.

13 Was sind Ihre weiteren beruflichen Ziele?

Ich möchte immer noch studieren, interessiere mich für Internationale Beziehungen. Aber erst, wenn meine Tochter größer ist.

In Polen aufgewachsen wollte Dorota Pytel nach der AHS-Matura Fremdsprachen studieren. Um das Studium zu finanzieren, kam sie 1991 nach Österreich – und blieb. Pytel arbeitete als Haushaltshilfe, Kellnerin und als Produktionsgehilfin, ehe sie 2001 nach New Jersey auswanderte. Nach elf Monaten kehrte sie wegen „Heimweh“ nach Österreich zurück, jobbte als Kellnerin. 2007: Geburt ihrer Tochter. Nach der Karenz begann sie 2010 ihre Ausbildung als Mechatronikerin im AMS-Programm „Frauen in die Technik“. Seit 2012 ist sie bei EVVA tätig.

EVVA in Zahlen

1919 gründeten drei Ingenieure die „Erfindungs-Versuchs-Verwertungs-Anstalt“. Das Ziel: Erfindungen umsetzen. 70 Prozent der Produktionsmitarbeiter bei EVVA sind Frauen.

46,5 Prozent sind es insgesamt im Unternehmen.