Wie kriegt man die Stelle?
Von Nicole Thurn
"Ich habe meine letzten 500 Pfund für dieses Plakat ausgegeben. Bitte gebt mir einen Job." Adam Pacitti hat sich ins Zeug gelegt. Das riesige Plakat in der Londoner Innenstadt verweist auf eine Webseite: www.employadam.com. Hier hat der arbeitsuchende Pacitti ein aufwendiges Bewerbervideo eingerichtet. Gut gelaunt zeigt er darin seinen Mail-Posteingang mit zahlreichen Bewerbungs-Absagen, propagiert humorig seine YouTube-Filmproduktionen.
Auf der Webseite vermeldet er auch: 60 seriöse Jobangebote hat er auf seine kreative Job-Offensive hin erhalten. Der Aufwand hat sich ausgezahlt: Heute arbeitet er als Viral Producer für die Agentur Seachange.
Ein Jobgesuch, vielleicht nicht auf dem Plakat, aber im Branchenblatt? Das erweckt durchaus Interesse, sagt Maja Skubella, Bewerbungsberaterin bei der deutschen Beratung Karriere & Entwicklung. Das Anschreiben für eine Stelle als Koch in Form einer Speisekarte – warum nicht? Gerade, wenn man droht, in der Bewerberflut unterzugehen, hebt man sich hier kreativ hervor. Skubella hat bereits 1000 Bewerbungen gesichtet und überarbeitet. Ihr Fazit: "Nicht die Quantität des Bewerbungsschreibens zählt, sondern die Qualität." Nichts sei wichtiger, als konkret auf das Unternehmen, die Jobanforderungen einzugehen. Das bedeutet Arbeit: Lebenslauf und Anschreiben müssen für jedes Stellenangebot individuell gestaltet werden.
Alexander Wozak besetzt als Personalberater Stellen vor allem im Technik- und IT-Bereich. Die Bewerber sind hier so gefragt, dass sie den Job auch ohne große Mühe bekommen. Wozak steht vor dem umgekehrten Problem: "Der 23-jährige Informatiker erklärt uns, unter einem Jahresgehalt von 400.000 Euro kommt er gar nicht – und dann hat das Bewerbungs-Anschreiben auch noch 17 Fehler." Positiv auffallen würde in dieser Branche, wer negatives Verhalten weglasse. Was bedeutet: mit der klassischen Bewerbung, mit ordentlichem Anschreiben und gutem Auftreten würde man positiv auffallen.
Wozak redet Klartext: Er spricht von Anschreiben in whatsapp-Manier mit falsch geschriebenen Personalisten-Namen, von Kaugummi kauenden Informatikern zwischen 20 und 30, die zu spät kommen, wortkarg antworten. Oder von Bewerbungsfotos, die den Bierkrug in der Hand, den tätowierten Oberkörper oder das Bikinihöschen zeigen. "Gerade in der Verkaufsbranche ist die Hemmschwelle gesunken", meint er. Für das Bewerbungsgespräch rät Wozak: "Authentisch rüberkommen ist gut, präpotentes Verhalten bitte lieber unterdrücken." Eine Studie von Robert Half unter 100 österreichischen HR-Managern ergibt übrigens: Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung ist ein guter Eindruck beim Bewerbungsgespräch – und ein überzeugender Lebenslauf. Wie das geht, lesen Sie unten.
Bei der Jobsuche passiert häufig ein großer Fehler: Man nimmt sich zu wenig Zeit, ist schlecht über das Unternehmen und den Job informiert, schickt zu früh zu viele allgemein gehaltene Bewerbungen an verschiedene Firmen. Die Reaktion: Absage um Absage. Nur wer sich Unternehmen und Job passgenau nach seinen Interessen und Kompetenzen aussucht, kann argumentieren, warum er der Richtige für die Stelle ist. Plattformen wie LinkedIn oder Xing helfen bei der informellen Kontaktaufnahme, sagt Beraterin Maja Skubella. „Man kann sich mit seinem Profil positionieren oder mit Ideen und Vorschlägen an Unternehmen herantreten.“ Wichtig: „Bei der Kontaktaufnahme freundlich sein und nicht penetrant.“
Im ersten Teil des Anschreibens konkretisiert man, warum man am Unternehmen interessiert ist. „Welchen Bezug habe ich zum Unternehmen, wie ist es mir aufgefallen? Man sollte eine emotionale Beziehung zum Entscheider herstellen“, rät Maja Skubella. Der zweite Teil soll die eigenen Kompetenzen hervorheben: „Hier ist Storytelling wichtig. Wie etwa für die Stelle als Grafikdesigner: ,Ich habe schon als Kind gern Comics gezeichnet.‘ Man bleibt im Gedächtnis, wenn man die Interessen mit persönlichen Geschichten hervorhebt.“ Die Gefahr: „Manche Bewerber stapeln zu tief, manche zu hoch.“ Zum Schreibstil rät Skubella, sich das Wording der Firma abzuschauen, etwa auf deren Webseite.
Es gibt viele Muster zu Lebensläufen im Internet. Und doch haben Personalberater häufig mit Missgriffen zu tun, wie Alexander Wozak erzählt: „Da fehlen Kontaktdaten und Jahreszahlen, der Aufbau ist chaotisch.“ Lücken im Werdegang werfen Fragen auf, daher empfiehlt die Personalberatung Robert Half, auch die Weltreise und Elternzeit zu nennen. Das Layout sollte schlicht, einheitlich und klar aufgebaut werden. Maja Skubella empfiehlt, Erfolge der beruflichen Stationen zu beschreiben, etwa mit Kennzahlen. Bei der Angabe von Kompetenzen besser ehrlich sein – solche Notlügen sind schnell enttarnt. Das Foto unbedingt vom Profifotograf machen lassen, Selfies sind absolut tabu.
Mit dem Bewerbungsvideo wollen die Personalisten einen lebendigen Eindruck der Persönlichkeit bekommen. Länger als zwei Minuten sollte es nicht dauern, auch bringt es nichts, den gesamten Werdegang wiederzukäuen. Besser: sich selbst präsentieren und die eigene Motivation für den Job erklären. Wichtig: Ein schlichter Drehort mit neutralem Hintergrund sorgt für Professionalität, nur in der Kreativbranche darf es originell zugehen. Kleidung so wählen, wie man sie im Bewerbungsgespräch trägt. Das Video besser im Stehen aufnehmen, das signalisiert Dynamik. Die Qualität (Auflösung, Ausleuchtung, Kamera auf Augenhöhe) muss stimmen: besser kein Video als ein schlechtes.
Nun sitzt man also hier. Mit Anschreiben und Lebenslauf hat man offenbar alles richtig gemacht, hat man das Interesse des Personalers geweckt. Beim Bewerbungsgespräch zählt zuerst einmal eines: Pünktlichkeit. Und Freundlichkeit – auch gegenüber dem Portier oder der Empfangsdame, denn sie fragen Personaler oft nach ihrem Eindruck. Beim Gespräch selbst hilft: „sympathisch und authentisch sein – so, wie man ist“, sagt Maja Skubella. Bei Personalern punktet man mit positiver Ausstrahlung. Mit Lässigkeit übertreiben sollte man es aber nicht. Personaler sind häufig mit Bewerbern konfrontiert, die eingelernte Floskeln à la „ich bin teamfähig“, von sich geben. Wichtig ist, seine Teamfähigkeit mit Beispielen zu untermauern, „es ist gut, ehrlich zu antworten“, sagt Skubella. Auf die klassischen Bewerbungsfragen sollte man jedenfalls konkrete Antworten parat haben.