Wirtschaft/Karriere

Weniger ist manchmal mehr

Chemiker sind keine Unternehmer, meist sind sie angestellt in großen Industrie- oder Pharmaunternehmen. Doris Brandhuber ist eine Exotin: Vor 34 Jahren in Wels geboren, mit 26 Jahren bereits promoviert, ist die Mutter eines fünfjährigen Sohnes Mitbegründerin von Less is More – einem Unternehmen, das organische Haarprodukte in 18 Länder exportiert.

Doch entgegen dem Verdacht, weist nichts an der Person Doris Brandhuber auf ehrgeizige Unrast und Eile hin. Manchmal kichert sie beinahe schüchtern. Wenn sie nicht aus der großen weißen Tasse Tee trinkt, ruhen die Arme auf ihrem Schoß. Mit Bedacht reflektiert sie ihre Laufbahn: Sie erzählt, dass sie die Kleinstadtenge als lähmend empfunden hat, es nicht der richtige Ort für ihre kreativen Ideen war. Sie sagt, dass die Chemie und die Mathematik schon im Teenageralter ihre Interessen waren, dass die Naturwissenschaften leider nicht denselben Stellenwert in der Gesellschaft haben wie etwa das Wissen über Kultur. Und sie erzählt von ihren beiden Brüdern, einer ist Physiker, der andere Unternehmer mit 11.000 Mitarbeitern.

Manufaktur

Am Schreibtisch neben dem kleinen runden Besprechungstisch im Büro im zweiten Bezirk sitzt Wolfgang Lederhaas – CEO von Lederhaas Organic Skincare. In drei kleinen Räumen nebenan werden die Produkte, die Kosmetik von Lederhaas und die organische Haarpflege von Less is More produziert. Dort wird getestet, gemischt, produziert. Alles wird von Hand abgefüllt und etikettiert. Bis zu 8000 Produkte werden hier monatlich von rund zehn jungen Chemikern in weißen Laboranzügen, mit Plastikhauben und Lederpatschen hergestellt. Das Verwunderliche ist, hier beißt nicht die Nase von der Chemie in der Luft. Hier duftet es sprichwörtlich nach Rosen – der Duft von 150 natürlichen Rohstoffen, Ölen, Pflanzenextrakten, die Zutaten der Produkte, umströmt die Sinne.

Die Natur als Vorbild

Doris Brandhuber ist während ihres Auslandssemesters im britischen Bristol auf die Biomimetik gestoßen. Eine interdisziplinäre Wissenschaftsdisziplin, die sich die Natur als Vorbild nimmt, um neue Produkte zu generieren. Intensiv konnte Brandhuber dort im ausgezeichnet ausgestatteten Labor forschen und ihre Diplomarbeit vorantreiben. Zurück in Wien hängte sie das Doktorat an. Als ihre Betreuerin nach Ulm in Deutschland berufen wurde, sollte sie ihre Habilitationsstelle übernehmen, zudem hatte sie ein Erwin-Schrödinger-Stipendium für Yale bekommen.

Ein Freund, der renommierte Haarstylist Hannes Trummer, fragte sie eines Tages, ob sie eigentlich organische Haarprodukte mischen könnte. Sie sagte: „Eigentlich ja“ und machte aus dem „eigentlich“ Realität. Und sagte der akademischen Karriere ab. „Die Publikation ist das Produkt der Wissenschaft. Ich wollte nicht nur publizieren. Für mich ist es spannender ein Produkt tatsächlich zu machen. Etwas, womit die Menschen etwas anfangen können.“

Die Zusammenarbeit entwickelte sich gut. Doris Brandhuber wurde schwanger, zwei Wochen vor der Geburt gründeten Brandhuber und Trummer die GmbH. Rund fünfeinhalb Jahre ist das nun her, pro Jahr ist Less is More seither um 30 Prozent gewachsen. Laufend wird an neuen Produkten und der Linie gearbeitet.

KURIER: Gibt es etwas, dass Sie retrospektiv bereuen?

Doris Brandhuber: Ein kategorisches Nein. Auch wenn ich sicher manchmal Fehler gemacht habe, die mich traurig gemacht haben.

Sind Sie familiär naturwissenschaftlich geprägt?

Meine Eltern sind beide keine Naturwissenschafter. Ich wollte schon in der Schule Mathematik oder Chemie studieren, war im Mathematik-Olympiade-Kurs. Nach der Matura ging ich dann nach Wien, entschied mich, technische Chemie zu studieren. Mein Bruder aber, zehn Jahre älter, hatte Physik studiert – mir war eine akademische Laufbahn in den Naturwissenschaften also vertraut.

Können Sie sich vorstellen, in einer großen Firma zu arbeiten?

Es gibt solche und solche Unternehmen. Ich würde ausschließen, für einen Großkonzern in der Pharmaindustrie zu arbeiten. Es macht mich wütend, was sie machen. In die Petrochemie würde ich auch eher nicht gehen. Aber die wollen wahrscheinlich auch nicht gerade mich. Mir ist es wichtig, etwas mit Sinn zu machen.

Verwenden Sie persönlich großteils biologische Produkte und achten Sie auf deren Herkunft?

Ja. Früher habe ich auch konventionelle Produkte verwendet. Mir war nicht bewusst, was alles in Haarprodukten ist, bis mir Hannes die Frage gestellt hat.

Die 34-jährige Doris Brandhuber wurde in Wels, Oberösterreich, als jüngste von drei Geschwistern geboren. Nach der Matura studierte sie in Wien technische Chemie, machte die Biomimetik zu ihrem Spezialgebiet. Mit 26 Jahren feierte sie Promotion. Sie hat einen fünfjährigen Sohn.

Less is More

Haarpflege Hannes Trummer eröffnete 2005 einen kleinen Friseursalon im Zentrum Wiens. Zuvor war er bei einer großen Kette als Artistic Director und Staff Trainer tätig.