Gift am Arbeitsplatz: Tipps gegen ein toxisches Jobumfeld
Von Ornella Wächter
Untergriffiges, manipulatives Verhalten, Herabwürdigungen, verletzende Kritik – die meisten Menschen denken bei diesen Zuschreibungen an eine höchst alarmierende, toxische Partnerschaft.
Die Wiener Autorin und Podcasterin (guschbaby) Andrea Weidlich, setzte sich in ihrer Neuveröffentlichung „Wie du Menschen loswirst, die dir nicht guttun“ intensiver mit dem Thema auseinander.
Toxische Beziehungen im Job
Sie ist mittlerweile überzeugt, dass toxische Beziehungen im beruflichen Kontext sogar häufiger vorkommen, als im privaten. Für ihre Recherchen führte sie nicht nur Gespräche mit Therapeuten und Therapeutinnen, sondern bezog auch ihre Instagram-Community mit ein.
Auf die Frage, wo diese am meisten auf toxische Verhältnisse stoßen, nannte die Mehrheit den Arbeitsplatz (Platz fünf) vor der Beziehung (Platz sechs). „Das ist natürlich nur ein Auszug, aber die Antworten haben mich überrascht.“
Auf Platz eins im „Ranking“ stand die eigene Familie, am zweithäufigsten wurde das eigene „toxische Ich“ genannt, „Selbstzweifel“, sowie die „Angst, nicht gut genug zu sein.“
"Rolle des Sündenbocks"
Selbstzweifel und ein daraus resultierendes, geschwächtes Selbstwertgefühl führen häufig dazu, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in toxischen Umgebungen die „Rolle des Sündenbocks“ übernehmen und nicht mehr aus dieser zugeschriebenen Haltung herauskommen würden, so Weidlich im KURIER-Gespräch.
Ein toxisches Arbeitsumfeld kann verschiedenste Ausprägungen haben: es zeigt sich in Form von Kontrollanrufen der Vorgesetzten , unsachlich formulierter Kritik, ausgrenzenden, lästernden Arbeitskollegen und -kolleginnen, Machtmissbrauch oder sexuellen Übergriffen.
„Betroffene haben irgendwann keine Freude mehr, zur Arbeit zu gehen, das Toxische kann auch belastend für den Körper sein, in Form von Bauchschmerzen, Kopfschmerzen oder Angstzuständen“, erklärt Weidlich.
16-Stunden-Tage
Die Autorin hat die negativen Folgen am eigenen Leib erfahren. Sehr jung, gerade fertig mit dem Studium, arbeitete sie im Management eines internationalen Konzerns. „Ich habe 16-Stunden-Tage gehabt, bin oft erst um ein Uhr morgens nach Hause gekommen.
Wenn man freitags einen Arzttermin hatte, hieß es: das hier ist kein Halbtagsjob.“ Als sich Stress irgendwann auch durch körperliche Beschwerden zeigte, kündigte sie. „Die beste Entscheidung meines Lebens.“
Andauernder Stress hat Folgen
Dass Betroffene unter Langzeitfolgen toxischer Arbeitsbedingungen leiden, verweist auf die Tücke des Phänomens: ihre Dauer. „Mitarbeiter, vor allem Mitarbeiterinnen, trauen sich oft nicht, ihre Grenzen zu setzen. Sie glauben vielmehr, sie müssten diese Belastungen aushalten.“
Die finanzielle Abhängigkeit und damit verbunden das Gefühl des Ausgeliefertseins, führe dazu, dass viele Betroffene auf Kosten ihrer physischen und mentalen Gesundheit in toxischen Umfeldern weiterarbeiten würden, so Weidlich.
„Besonders jungen Menschen wird eingeredet, sie sollten dankbar sein für die Chance – und wenn nicht, so würden hundert andere da draußen warten, die liebend gern den Job machen.“ Ein manipulatives Verhalten – ebenfalls typisch für eine toxische Unternehmenskultur.
"Frauen haben oft diesen Marie-Curie-Komplex"
Nicht nur Abhängigkeitsverhältnisse, auch stereotype Rollenbilder würden dem Phänomen zusätzlichen Nährboden geben. „Frauen haben oft diesen Marie-Curie-Komplex: Sie glauben, einem überidealisierten Frauenbild entsprechen zu müssen, das Beruf, Karriere, Haushalt und Kinder unter einen Hut bringt.“
Ein Ausweg ist die Kündigung. Weidlich aber verfolgt mit ihrem Buch einen anderen Ansatz. „Man kann auch in einem toxischen Umfeld lernen, Grenzen zu setzen und zu kommunizieren, ohne dabei zu kündigen, obwohl auch das letztlich ein guter Schritt sein kann“, so Weidlich.
"Zurück in die Entscheiderrolle"
„Die meisten Bücher beschreiben, wie man toxische Menschen fernhält. Ich denke, es ist wichtiger herauszufinden, wie man in dieses toxische Umfeld geraten ist und warum man sich schwertut, wieder herauszukommen.“
Um die von Betroffenen empfundene Ohnmacht zu überwinden, sei es wichtig, Verantwortung zu übernehmen und aus der zugeschriebenen „Sündenbockrolle eine Entscheiderrolle“ zu machen, erklärt Weidlich.
Wichtig für diesen Prozess sei auch das Loslassen des toxischen Ichs. „Wer sich im Inneren verändert, verändert auch die Situation im Außen. Das ist ein wichtiger Schritt, damit sich diese Situation nicht noch einmal wiederholt.“