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"Versteckte Technik": Warum Technologien in Frauenberufen oft wenig präsent sind

„Zweite Kassa bitte.“ Ein Satz, den viele Menschen automatisch mit dem Einkauf im Supermarkt verbinden. In Hofer-Filialen könnte dieser Ausruf bald Geschichte sein. Der Einkauf soll nämlich durchdigitalisiert werden, Österreich soll das Pilotland sein. Neue Varianten des Bezahlens werden ausprobiert, Preise sollen über Apps und Sensoren vermessen und abgebucht, Kassierer damit überflüssig werden.

Die Digitalisierungspläne des Handelsriesen wurden vor einem Jahr in diversen Medienberichten aufgegriffen – doch nie wurde die Frage gestellt, was dabei mit den Beschäftigten geschieht, wie die Technik ihr Berufsbild verändert und neue Skills hervorbringt. Für die Forscherinnen Janis Lena Meißner, Edeltraud Haselsteiner, Nadja Bergmann und Nicolas Pretterhofer waren die Medienberichte ein weiterer Beleg für die zentrale These ihrer Studie, die Anfang 2022 veröffentlich wurde: dass technologische Veränderungen in weiblich dominierten Jobs, zu denen auch der Handel zählt, oft unsichtbar bleiben.

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Janis Lena Meißner (39) ist  in der HCI Forschungsgruppe an der TU Wien als Forschungsassistentin tätig, sowie  in der Lehre
als Senior Lecturer. Meißner absolvierte das Bachelor- und Masterstudium Medien-
informatik an der TU Wien. Nach einer kurzen Tätigkeit als Consultant in der Industrie folgte ein Doktorat in Digital Civics an der Newcastle University in Nordengland. In ihren Forschungen beleuchtet Meißner Technologie aus einer feministischen Perspektive und ist zudem Mitbegründerin der Plattform „fempower.tech“. Ihre aktuellste Studie „Auf der Suche nach versteckter technologischer Arbeit“ wurde vor Kurzem veröffentlicht.

 

„Wer an Digitalisierung der Arbeitswelt denkt, verknüpft damit fast automatisch die Industrie 4. 0., Roboter-Arme und Männer an Maschinen. Technische Innovationen werden meist mit männerdominierten Berufen konnotiert“, erklärt Co-Autorin Meißner, die im Forschungsbereich Human Computer Interaction an der Technischen Universität Wien tätig ist. „Wir haben in unserer Studie enthüllt, dass auch in bestehenden, weiblich dominierten Berufen sehr viel Technik im Arbeitsalltag zum Einsatz kommt“, so Meißner. „Das Problem ist nur, dass sie nicht sichtbar ist.“

"Technologien werden hinter Produktregalen verborgen"

Die Technologien würden gewissermaßen „versteckt“, teilweise gezielt, teilweise unbewusst. „Manchmal wollen Arbeitgeber ein Berufsbild aufrechterhalten – der Drogeriemarkt etwa soll leicht und luftig wirken, die Technologien werden hinter Produktregalen verborgen“, erklärt Meißner. „Dabei ist die Technik allgegenwärtig. Etwa in Form von Bewegungssensoren, die den Angestellten anzeigen, wenn Kunden hereinkommen.

Die normale Kassa ist vielmehr eine Software, deren Scanner mit der ganzen Warenlogistik verbunden ist und Dienstpläne werden nach Big-Data-Algorithmen erstellt, die die Kundenfrequenz in den Filialen messen.“ Auch in der Pflege würde die Arbeit durch den Einsatz von Softwares für die Routenplanung oder Patienten-Dokumentation zunehmend technischer, so die Forscherin.

Weibliche Sicht in der Technik fehlt

Wie Computersysteme Arbeit verändern, bildet seit Langem den Fokus in Meißners Forschungen. Sie kennt die Mechanismen, die für den einseitigen Diskurs in der Technik verantwortlich sind. „Es fehlen die Frauen, und damit auch die weibliche Perspektive. Technische Neuerungen finden nicht in einem luftleeren Raum statt. Sie werden von bestehenden sozialen, patriarchalen Strukturen beeinflusst.“

Ein weiterer Grund: Technische Skills würden zudem meist Männern zugeschrieben, während weiblich konnotierte Tätigkeiten als „natürliche Fähigkeiten, die scheinbar ohne berufliche Qualifikation erfolgen kann.“ Damit würden auch Arbeitsplätze der Zukunft häufig mit den sogenannten MINT-Berufen verbunden. Bereiche, in denen gute Gehälter, Jobaussichten und Karrieren winken. In denen es gleichzeitig aber auch an Frauen fehlt.

Das Ziel der Forschung? „Im Idealfall eine politische Debatte anstoßen und mit unserer Studie einen Beitrag zur Aufwertung der Arbeit im Handel und der Pflege leisten“, so Meißner. „Denn Technologie wertet Berufe auf, idealerweise auch monetär.“