„Vermögen aufzubauen ist nichts Verwerfliches“
Von Ornella Wächter
Ein Gespräch über Berührungsängste mit Finanzthemen, Vorurteile über Aktienhändler und Rollenklischees in Geldangelegenheiten.
KURIER: Im Buch erzählen Sie, wie Sie in der Schule mit Zahlen auf Kriegsfuß standen. Heute schreiben Sie ein Buch über die Finanzwelt. Was ist da passiert?
Aya Jaff: Meine Englischlehrerin hat mir damals empfohlen, das Forbes-Magazin zu lesen, um mein Englisch zu verbessern. Und darin geht es viel um Wirtschaft und erfolgreiche Unternehmen. Ich begann, mich für die Menschen dahinter zu interessieren. Ich habe mich gefragt: Was machen diese Unternehmer anders? Was heißt es, zu investieren, was ist die Börse, was sind Aktien? Wie wird ein Mann wie Warren Buffett zu einem der reichsten Männer der Welt?
Wie wollen Sie mit diesem trockenen Thema junge Menschen erreichen?
Ich habe verstanden, dass ich meine persönliche Geschichte erzählen muss, was mich in die Finanzwelt geführt hat. Wenn ich ehrlich bin, war das nicht das Versprechen, meine Rentenlücke zu schließen. Damit kommt man auch bei jungen Leuten nicht weit. Ich versuche im Buch, andere Trader und Traderinnen als im Film „The Wolf of Wall Street“ zu zeigen und dadurch das Bild positiv zu prägen und Diversität ins Spiel zu bringen. Du musst kein Day-Trading betreiben und in Kohle investieren, du kannst auch langfristig und in Nachhaltigkeit investieren.
Nicht alle haben ein gutes Bild von der Finanzwelt, viele distanzieren sich von der Branche.
Es existiert das große Vorurteil, dass jeder, der an der Börse mit Aktien handelt, reich werden möchte. Das muss überhaupt nicht so sein. Zudem wird das Bild eines Traders stark von der Popkultur geprägt. In Hollywoodfilmen dominiert das Bild des korrupten, unmoralischen, meist männlichen Händlers. Ich glaube aber nicht, dass es eine Lösung ist, sich der Welt zu verschließen. Ich will Menschen nicht dazu bringen, Aktien zu kaufen, sondern erkläre Zusammenhänge. Ich will den Leuten zeigen, wie viele Brücken es zwischen ihrem Leben und der Börse gibt.
Das erleben wir mit der Corona-Krise jetzt hautnah. Ein interessantes Erscheinungsdatum für ein Finanzbuch.
Ja, ich konnte mir den Zeitpunkt nicht aussuchen (lacht). Es ist meine erste Krise. Ich bin gespannt, was jetzt auf uns zukommt und was es bedeutet, in einer Rezession zu stecken.
Wer anlegen will, ist ab 25 Euro mit dabei. Ein Betrag, der schnell im Alltag ausgegeben wird. Was hält Menschen davon ab, zu investieren?
Man fühlt sich schnell verloren in der Aktienwelt und denkt, nicht mitreden zu können. Auch bei mir war es so. Ich habe eine normale Schule besucht, in meinem Umfeld war es auch nicht normal, dass man in Aktien investiert hat. Zudem gibt es die Angst, hier viel falsch zu machen und viel Geld zu verlieren. Ich glaube auch, dass viele Ängste von der älteren Generation an jüngere weitergegeben werden. Aber das ist auch verständlich, denn es sind Menschen, die die Finanzkrise 2008 miterlebt haben.
Mit was für einem Verhältnis zu Geld sind Sie aufgewachsen?
Ich habe schon mit 16 die Idee gehabt, in ETFs einzuzahlen. Für mich hatte Geld sehr schnell diesen Investment-Charakter. Ich habe auch erkannt, was Geld noch bedeuten kann. Ich konnte durch meinen Fonds zum Beispiel einen Teil meines Führerscheins bezahlen. Ich hatte mehr Freizeit, weil ich nicht kellnern musste, und konnte kleine Reisen in den Ferien unternehmen. Ich hatte bald keine Hemmung mehr, mich mit Zahlen auseinanderzusetzen.
Geld ist oft Männersache, Frauen trauen sich bei Finanzthemen oft weniger zu. Haben Sie das auch so erlebt?
Ich habe im Zuge der Recherche mit vielen Frauen über Geld und Finanzen gesprochen. Manche haben erzählt, dass sie sich erst nach der Trennung von ihrem Mann mit Geld auseinandergesetzt haben. Andere haben gesagt, ihnen liege das Thema einfach nicht. Man merkt schon, dass es eine Rollenverteilung gibt, die ungefragt übernommen wird. Auch in meiner eigenen Familie hat sich mein Vater um die Finanzen gekümmert, meine Mutter mehr um den Haushalt.
Wie begegnet man Ihnen als Finanzbuchautorin?
Ich weiß noch nicht, wie die Reaktionen ausfallen werden. Aber meine Erfahrung als Programmiererin zeigt – und die Tech-Szene gilt auch als Männerdomäne – dass sich Frauen öfter für ihr Tun rechtfertigen müssen. Man gerät als Frau öfter in Erklärungsnot und muss sich behaupten.
Hat sich Ihr Umgang mit Finanzen durch die Arbeit am Buch verändert?
Ich spreche viel mehr über Geld (lacht). Ich bin in der Thematik viel sensibler geworden. Wenn ich darüber spreche, wie viel ich verdiene, wie viel andere verdienen können oder sollten, weiß ich, dass ich damit jemanden zu nahe treten oder er sich angegriffen fühlen könnte.
Sie sind Autorin, Programmiererin, Studentin, Unternehmerin. Was kommt als Nächstes?
Das frage ich mich auch! Jetzt kommt aber erst mal das Buch. Ich glaube, das wird mich als Mensch sehr prägen. Aber ich weiß noch nicht, was es aus mir macht.
Aya Jaff. Die Deutsch-Kurdin wurde bekannt als Aushängeschild der deutschen Tech-Szene. Aya Jaff (24) programmiert, seit sie 15 Jahre alt ist und entwickelte noch in ihrer Schulzeit das Börsespiel „Tradity“. Mit 19 reiste sie mit dem „Women who code“-Stipendium ins Silicon Valley und forschte für sieben Wochen zur Zukunft der Logistik. Ihr Wirtschaftsinformatik-
Studium gab sie nach vier Semestern auf, aktuell studiert sie Wirtschaft in Nürnberg. Mit 22 gründete Jaff das Start-up „Codesign- Factory“, ihr neuster Coup: Das Buch „Moneymakers“