US-Expertin: "Frauen trauen sich nicht, zu führen"
Von Nicole Thurn
Seit einem Vierteljahrhundert beschäftigt sich die US-amerikanische Leadership-Expertin Sally Helgesen mit dem weiblichen Weg nach oben. Auf Einladung des "Women Leadership Forum 2014" stattete sie Wien einen Besuch ab.
KURIER: Eine deutsche Umfrage unter Führungskräften zeigt, dass Frauen stärker auf Weiterbildung und Bindung ihrer Mitarbeiter achten, Männer dagegen eher auf Managerboni und Dienstauto.
Sally Helgesen (lacht): Wiederholen Sie das noch mal, das ist ja wunderbar.
Die Studie fand ansonsten kaum Geschlechter-Unterschiede. Sehen Sie das auch so?
Ja. Für mein letztes Buch habe ich Kriterien von Motivation bei Frauen und Männern getestet und nur drei Unterschiede festgestellt: Männer werden durch den Wunsch zu gewinnen motiviert, Frauen sehen das Gewinnen stärker im Kontext von Beziehungen und der Weiterentwicklung des Unternehmens. Wenn Frauen im Job unzufrieden sind, können sie mit Geld nicht so leicht motiviert werden wie Männer. Männer heben sich gern mit einem Geschäftsabschluss hervor, Frauen sind loyaler zu ihren Kollegen, bauen eher kollaborative Beziehungen auf.
Ein Vorteil beim Networking?
Nur bedingt. Frauen tendieren dazu, Beziehungen nur zu knüpfen, anstatt sie zu ihrem Vorteil zu nutzen. Viele Frauen haben Bedenken, dass sie Menschen missbrauchen.
Männer haben die nicht?
Nein. Sie sehen im Netzwerken eine Win-Win-Situation, in der auch die andere Person einen Vorteil hat. Frauen glauben oft nicht daran, dass sie eine Ressource für andere sein können.
Es heißt, Männer messen sich auch lieber im Wettbewerb mit anderen.
Ich habe nicht den Eindruck, dass Frauen Angst vor Wettbewerb haben. Frauen sehen Geschäftsverhandlungen nur eher im Beziehungskontext, während Männer darin ein Spiel mit Gewinnern und Verlierern sehen. Ich halte Letzteres für obsolet. Der kollaborative Ansatz hat positivere Effekte auf Unternehmen.
Manche Managementcoaches sagen, Frauen müssen ihr Verhalten jenem der Männer anpassen, um nach oben zu gelangen.
Vor 25 Jahren war das in den USA der gängige Standpunkt. Diese unauthentische Sicht hat Frauen beschränkt. Das endete in lächerlichen Kursen, in denen Frauen lernten, über Football zu reden. Die technologische Entwicklung hat Leadership massiv verändert – es gibt heute weniger Hierarchien und mehr Dezentralisierung, Kollaboration. Diese Art zu führen habe ich schon vor 25 Jahren bei Managerinnen vorgefunden.
Was machen die Frauen auf ihrem Weg nach oben falsch?
Frauen gestehen sich oft nicht zu, ihre Führungskompetenz auch anzuwenden. Sie machen ihre Leistungen nicht so sichtbar wie Männer. Damit sie als High Performer gesehen werden, müssen sie das aber – auf ihre Art. Sie müssen ja nicht lautstark angeben, aber können sich Verbündete suchen, die ihre Leistungen kommunizieren. Als Führungskraft braucht man auch eine starke Präsenz, gerade in einer herausfordernden 24/7-Umgebung. Um präsent zu sein, müssen Frauen lernen, zu delegieren.
In Österreich gab es 2005 2,9 Prozent Frauenanteil bei den Geschäftsführern, heute sind es 5,6 Prozent. Ein langsamer Trend.
Der Frauenanteil hat sich immerhin verdoppelt. Es geht langsam, das war anfangs auch in den USA so. Aber dann gab es einen plötzlichen Anstieg, Konzerne wie IBM und General Motors setzten Frauen auf CEO-Level. Bei IBM wurden in den 1990ern für jede Führungsposition zwei Frauen nominiert.
Viele Firmen sagen, sie finden keine Frauen, weil diese keine Lust auf eine Führungsposition haben.
Viele Frauen verließen in der Vergangenheit Top-Positionen , weil die Unternehmenskulturen herausfordernd waren, sie mit Respektlosigkeit junger Männer konfrontiert waren und ihre Zeit in sinnlosen Meetings, verschwendeten. Sie wollten nicht auf ihre Lebensqualität verzichten – nur wegen Status und Geld. Männer taten das schon. Doch die heutigen Millennials tun das immer weniger – Frauen wie Männer. Unternehmen müssen sich daher ändern.
Sie sprechen von drei Phasen von Frauen-Initiativen in Firmen.
Seit 1989 beobachte ich das. Damals wurde in den USA über Frauenquoten in Unternehmen diskutiert ...
... was wir in Österreich heute erst tun. Etwas spät.
Das ist ziemlich spät. Wobei ich Quoten nicht sinnvoll finde, weil es dann heißt, sie ist nur hier wegen der Quote. Ab 2000 ging es in den USA darum, Talente in der Firma zu halten. Die Firmen erkannten, dass sie sich ins eigene Fleisch schnitten, wenn sie sich nur auf die Männer konzentrierten. Seit der Krise 2009 werden Firmen, die nicht auf Vielfalt in der Belegschaft achten, heftig kritisiert – von Geschäftspartnern, Kunden, Anteilseignern.
Warum ist das so? Weil gemischte Teams mehr Erfolg bringen?
Ja. Eine globale McKinsey-Studie zeigt, dass gemischte Teams harmonischer und loyaler sind. Wenn du als Arbeitgeber nicht fähig bist, einen vielfältigen Talente-Pool aufzubauen, wird sich das negativ auf Rendite und Anteilseigner auswirken.
Ihre Prognose für 2025?
Die Trends stimmen mich optimistisch: Geschlechtergerechtigkeit wird weltweit einfacher erreicht. Der Druck auf Firmen für mehr Diversität wird steigen, die Manager der alten Schule in Pension sein.