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Unfair? Warum Deutschland bezahlten Bildungsurlaub hat und Österreich nicht

Es ist ein Geschäftsmodell, das Österreicher aufhorchen lassen könnte. Beim Staffelfinale der „Höhle der Löwen“ (zu sehen am 29. Mai) präsentiert das deutsche Start-up „Bildungsurlauber“ ein Konzept, mit dem deutsche Arbeitnehmer problemlos zusätzliche bezahlte Urlaubstage für die eigene Weiterbildung herausholen können – und das bis zu zehn Tage im Jahr.

In Österreich kennt man den Sonderurlaubsanspruch bei etwa familiären Pflichten oder Umzügen (Details enthält der Kollektivvertrag). Für Weiterbildung aber ist die Bildungsteilzeit oder Bildungskarenz vorgesehen, für die es jedoch – anders als beim deutschen Bildungsurlaub – keinen Rechtsanspruch gibt. Die Karenz beispielsweise muss für mindestens zwei Monate beantragt und vom Arbeitgeber genehmigt werden. Bezahlte einzelne Urlaubstage für Bildung gibt es nicht. Eine unfaire Sache?  

Deutschland schielt auf Österreich

Vermutlich eine Frage der persönlichen Vorliebe. Denn in Deutschland schielt man teilweise auf das österreichische Modell der längeren Auszeit - in Deutschland gibt es dieses Angebot nämlich nicht. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte (allerdings schon 2021) an, dieses auch in Deutschland einführen zu wollen. Passiert ist das bislang nicht.

Deutschland muss sich daher mit dem bezahlten Bildungsurlaub zufriedenstellen – zumindest in jenen Bundesländern, die ein Bildungsurlaubsgesetz haben (das sind alle bis auf Sachsen und Bayern). Die Krux: Die Regelungen sind nicht für jedes Bundesland gleich, aber grob gibt es einen Rechtsanspruch von fünf Urlaubstagen im Jahr, die für Bildung genutzt werden dürfen – bei Bedarf können auch zwei Jahre kumuliert und somit zehn Urlaubstage konsumiert werden.

Der Vorteil: Die Weiterbildung muss nicht auf die berufliche Tätigkeit abgestimmt sein – anders als in Österreich. „Bei uns ist die Weiterbildung eher beruflich angelegt“, sagt Bildungsexperte Michael Tölle der Arbeiterkammer Wien. In Deutschland könnte auch ein Yogakurs je nach Bundesland genehmigt werden. „Deutschland hat einen sehr umfangreichen Katalog, aus dem man aussuchen kann“, erklärt Tölle.

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Um sich in dem Dickicht der unterschiedlichen Regelungen und Optionen für Deutschland zurecht zu finden, gründeten Lara Körber und Anian Schmitt 2020 das Start-up „Bildungsurlauber“, denn obwohl es das Angebot der bezahlten Weiterbildung gibt, würden es nur wenige in Anspruch nehmen. „Per Gesetz haben 27 Millionen Beschäftigte in Deutschland Anspruch auf bezahlten Extra-Urlaub pro Jahr. Aktuell nutzen ihr Recht aber nur rund zwei Prozent – die meisten, weil sie es gar nicht kennen“, heißt es auf der Website des Start-ups.

Österreich regelt auf KV-Ebene

Und in Österreich? Da ist auf Kollektivvertragsebene zusätzlicher Spielraum gegeben, wenn vereinzelt Bedarf nach "Bildungsurlaub" besteht, sagt Michael Tölle. Möchte jemand eine HTL-Matura nachmachen, würden manche Betriebe eine Freistellung ermöglichen, „aber nicht überall“, so Tölle. Eine weitere Option bieten Betriebsvereinbarungen, in denen etwa geregelt sein kann, dass Mitarbeiter nach einer gewissen Anstellungsdauer auch eine einwöchige Freistellung zur persönlichen Weiterbildung erhalten. Tölle: „Im Rahmen einer Betriebsvereinbarung oder eines Kollektivvertrages ist das alles möglich.“

Einen Rechtsanspruch gibt es aber auch hier nicht. Die Arbeiterkammer würde sich deshalb einen Anspruch auf Bildungsteilzeit und -karenz wünschen, sagt Tölle, „weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass Arbeitgeber oft nicht zustimmen.“ In Zeiten des Personalmangels eine logische Konsequenz, da Personal gebraucht und nur schwer ersetzt werden kann.

In Planung ist deshalb seitens der Arbeiterkammer ein Modell namens „Qualifizierungsgeld“, das die bestehenden Weiterbildungs-Instrumente – Fachkräftestipendium, Studienfinanzierung, Bildungsteilzeit und Bildungskarenz – vereint und auf das es einen Rechtsanspruch geben soll.