Tischlern gegen die Tristesse
Von Nicole Thurn
Der Tag beginnt so trist, wie er enden wird. Ein ewiges Warten. Im Park oder auf der Mariahilfer Straße darauf, dass die Leute ein paar Cent abgeben. In der Gruft, um eine warme Mahlzeit zu bekommen. Warten darauf, dass der Tag vorüberzieht. Ein Tag ohne Beschäftigung.
Ein Szenario, das wohl viele obdachlose Menschen kennen. Fatal für den Selbstwert, denn: „Auch Beschäftigung gehört zur Würde des Menschen“, sagt Cecily Corti, Vereinsobfrau der Vinzenzgemeinschaft St. Stephan. Sie hat mit ihrem Team die Idee von „VinziChance“ geboren. Das Programm startet im Herbst.
Im Haus VinziRast-mittendrin im neunten Bezirk, in dem ehemals obdachlose Menschen mit Studierenden zusammenleben, wurden Werkräume für Holz, Nähen und Fahrradreparaturen eingerichtet. Es gibt auch ein hauseigenes Studierzimmer. Hier will man über „VinziChance“ Deutschkurse für ausländische Obdachlose anbieten. VinziChance soll den Menschen wieder Struktur und Sinn im Tagesablauf geben. Von neun bis zehn Uhr sollen von Montag bis Freitag offene Deutschkurse abgehalten werden, von 10 bis 12 Uhr wird unter Aufsicht von Fachpersonal in den Werkräumen gearbeitet.
Ansprechen will man vor allem die Nutzer der Notschlafstelle im zwölften Bezirk. „Wir erleben sie sehr in Not und bedürftig. Sie werden von der Gesellschaft oft als unnütz gesehen“, sagt Corti. Darunter sind viele Asylwerber, die kaum Deutsch können. Mit VinziChance könnten sie elementare Fertigkeiten und Deutschkenntnisse erwerben, Freude an dem erlangen, was sie selbst herstellen. Wer bei VinziChance mitmacht, kann in der darauffolgenden Nacht kostenlos in der Notschlafstelle nächtigen (sonst spendet man zwei Euro).
Gewinn erwirtschaften darf der Verein mit dem Verkauf der Produkte nicht. „Wir möchten aber gegen eine Spende das Vinzikistl anbieten“, sagt Corti – unter anderem mit selbst gemachtem Tischtuch, Marmelade, Kochlöffeln und Schneidbrett. Die Waren werden auf Floh- und Weihnachtsmärkten gegen freiwillige Spenden vergeben. Für die Deutschkurse sucht die VinziRast Studierende oder ehrenamtliche „Deutsch-als-Fremdsprache“- Trainer, die wochentags zwischen 9 und 10 Uhr Zeit haben. Für die Leitung der Werkräume werden ehrenamtliche Fachkräfte und Hobbybastler mit freier Zeit zwischen 10 und 12 Uhr gesucht – für Tischlern, Nähen und Fahrradreparaturen. Voraussetzung ist Freude an der Begegnung mit Menschen in prekärer Situation.
Kontakt für Interessierte: Elena Osenstetter, 01/ 2350772-17, e.osenstetter@vinzirast.at. Die Kurse finden in VinziRast-mittendrin in der Lackierergasse 10, 1090 Wien statt.
Cecily Corti importierte 2002 die Idee des Grazer Pfarrers Wolfgang Pucher zum VinziDorf nach Wien. 2004 eröffnete sie die Notschlafstelle für Obdachlose in Wien-Meidling – das heutige VinziRast-CortiHaus. 2010 kam eine Wohnstätte für abstinente Alkoholiker hinzu. 2013 eröffnete VinziRast-mittendrin in Wien-Alsergrund – ein Haus für Studierende und ehemals Obdachlose.