Hallo, hier bin ich: Über Sichtbarkeit im Job
Von Ornella Wächter
Nur weil man eine gute Arbeit abliefert, macht man noch keine gute Karriere. Tijen Onaran weiß das und zieht als Beispiel ihre eigene Karriere heran. Sie war 20 Jahre alt, als sie sich für die Landtagswahlen von Baden-Württemberg 2006 als Kandidatin der FDP hat aufstellen lassen. Da sie selbst noch nicht wusste, für welche Themen sie eigentlich einstehen wollte, wurden sie ihr zugeschrieben – Familie und Integration. Letzteres, weil ihre Familie aus der Türkei stammt.
Mehr Unabhängigkeit
Heute hat sie sich davon emanzipiert und setzt sich für mehr Sichtbarkeit und Empowerment von Frauen in der Digitalbranche ein und berät Unternehmen in Diversitätsfragen (siehe "Zur Person" weiter unten).
„Sichtbarkeit hat viel mit Unabhängigkeit zu tun“, erzählt die heute 35-jährige Unternehmerin im Zoom-Gespräch. „Diese erreicht man, wenn man sie selbst gestaltet und eigene Themen setzt.“
Vorurteile
Personal Branding – aus der eigenen Person eine Marke zu machen – wird oft mit bestimmten Berufsgruppen verbunden: der Werbung, dem Marketing- und Kommunikationsbereich, oder der Politik.
Onaran hingegen findet, jeder kann und sollte die eigene Geschichte selbst in der Hand haben und erzählen, bevor es andere tun. Egal ob man als Krankenpfleger bzw. Krankenpflegerin, Lehrer und Lehrerin arbeitet, oder als CEO eines Unternehmens. „Man hat einfach unter Kontrolle, wie man wahrgenommen wird, was andere über einen wissen, mit welchen Menschen man in Kontakt tritt.“
Warum es wichtig ist
Wie man erkennt, dass man sich im Beruf, in der Karriere mehr in Szene setzen sollte? „Wenn man in Besprechungen übergangen oder nicht nach seiner Meinung gefragt wird“ sagt Onaran. „Wenn andere nicht auf einen zukommen, liegt es oft an der fehlenden Sichtbarkeit.“ Spätestens, wenn ein Jobwechsel bevorstehe, Gehaltsverhandlungen oder Beförderungen, sei man im Vorteil. „Leistungen die man erzielt hat, müssen nicht erst erzählt werden.“
Aber wie wird man sichtbar und macht sich einen Namen? Zunächst müsse man überlegen, wo die eigenen Fähigkeiten und Talente liegen, mit welchem Thema man sich positionieren will, rät die Expertin. „Ich habe vor allem auf Social Media nach Vorbildern gesucht und mir angeschaut, wie und worüber sie reden.“
Scheu ablegen
Mit dem Thema Sichtbarkeit möchte die Autorin vor allem Frauen adressieren. „Im Businessumfeld haben Frauen stark mit Vorurteilen und Rollenklischees zu kämpfen“, so Onaran. „Sie werden anders bewertet als Männer, bei uns spielen Äußerlichkeiten oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schnell eine Rolle, wir müssen anders argumentieren.“
Aus diesem Grund würden sich viele zurückhalten und damit Menschen eine Bühne bieten, die oft „nichts zu sagen haben“, so Onaran und betont: „Gerade Introvertierte denken, sie würden sich aufdrängen – aber wer so denkt, wird nie an den Punkt der Übertreibung kommen.“
Zur Person
Tijen Onaran ist erfolgreiche Unternehmerin, Moderatorin und Speakerin. Das Manager Magazin zählt sie zu den 100 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft, auch in der Welt des Internets – etwa auf dem Business-Netzwerk LinkedIn – gehört sie zu den Top-Influencer*innen.
Mit ihrem Unternehmen „Global Digital Women“ setzt sie sich heute u. a. für mehr Sichtbarkeit und Empowerment von Frauen in der Digitalbranche ein und berät Unternehmen in Diversitätsfragen.
Vor ihrer Selbstständigkeit war sie für Europa-, und Bundestagsabgeordnete tätig und hatte leitende Funktionen in Verbänden und Hochschulen inne.
2019 erschien ihr erstes Buch „Die Netzwerkbibel“, am 17. August 2020 ihr zweites Buch „Nur wer sichtbar ist, findet auch statt“ im Goldmann Verlag.