Wirtschaft/Karriere

Tabuthema Gehalt: Sollte man endlich darüber sprechen?

Was verdient eigentlich die IT-Spezialistin in meiner Bürogemeinschaft, der Nachbar, der Wirtschaft studiert hat, aber im Marketing arbeitet oder die beste Freundin in der Chefetage einer Werbeagentur? Interessant zu wissen wäre auch, was Künstler bekommen, von denen man zwar weiß, dass sie wenig Gehalt bekommen – doch was heißt das schon: wenig? 

Dass Fußballprofis oder Vorstände von großen Konzernen viel verdienen, scheint hinlänglich bekannt zu sein. Im Privaten ist das Gehalt dagegen oft ein Tabu, wie eine aktuelle, repräsentative Umfrage im Auftrag der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu zeigt. 500 Personen zwischen 14 und 75 Jahren wurden dafür befragt. Das Ergebnis: Nur rund ein Viertel der Österreicherinnen und Österreicher spricht offen  über das eigene Gehalt, bei  rund zwei Drittel weiß die eigene Partnerin oder der eigene Partner Bescheid. 21 Prozent diskutieren über das  Gehalt mit den Arbeitskolleginnen und -kollegen. Und einer von zehn ist der Meinung, dass jede und jeder vom anderen wissen soll, wie viel er verdient. 

Warum sprechen wir nicht darüber?

„In Österreich, aber auch in Deutschland, wird ein großes Geheimnis aus dem Gehalt gemacht“, sagt kununu CEO Nina Zimmermann. Die Gründe dafür sind vielfältig. „Der kulturelle Aspekt spielt hier sicher eine Rolle“, so die Expertin. Gerade ältere Generationen seien nämlich mit dem Grundsatz erzogen worden, dass man über das Gehalt einfach nicht spricht. 

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Mitspielen in der Frage nach dem Warum dürfte  auch die  Unterdokumentation unserer Gehaltssysteme und die damit zusammenhängenden möglichen Altlasten vieler Unternehmen. Der Konsens, dass Menschen mit vergleichbarer Funktion und Ausbildung annähernd gleich viel verdienen müssten, trifft zwar grundsätzlich auf allgemeine Zustimmung, ob das in jedem Unternehmen auch so gelebt wird, ist fraglich. 

"Braucht Transparenz des Prozesses"

Wie Gehaltssysteme in der Praxis gelebt werden, weiß Georg Jurceka, Director bei Deloitte Human Capital, wo er Unternehmen bei der Gestaltung und Einführung  von Vergütungssystemen unterstützt. Auch er stellt in seiner täglichen Arbeit immer wieder Zurückhaltung in Sachen Gehaltstransparenz fest. Argumente, dass dies allein an Kultur und Generation liege, sieht er allerdings zu eng gegriffen. „Gerade in Österreich ist Gehaltstransparenz ein sehr vielschichtiges Thema.“ Bereiche wie der öffentliche Dienst oder auch international verankerte Unternehmen im agilen Umfeld hätten einen sehr offenen Zugang. „Deshalb glaube ich schon, dass es auch eine Sache der professionellen Sozialisierung ist.“

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Ohnehin geht es dem Experten bei der Frage um die Transparenz, weniger um die tatsächliche Höhe des Gehalts eines jeden einzelnen, sondern mehr um die klaren und nachvollziehbaren Spielregeln, wie die jeweilige Summe überhaupt zustande kommt. „Da geht es um Fragen wie, warum jemand eine Gehaltserhöhung bekommt oder darum, was ein Unternehmen überhaupt bereit ist,  für eine bestimmte Position zu bezahlen.“ Mitarbeitern sei das oftmals viel wichtiger, als genau zu wissen, was der Kollege verdient. 

Kein Recht auf Information

Ein Recht auf Information, was eine Kollegin oder ein Kollege verdient, gibt es in Österreich jedenfalls nicht. Auch dann nicht, wenn man das Gefühl hat, einer Einkommensdiskriminierung zum Opfer zu fallen. „Es handelt sich hier um persönliche Daten, diese unterliegen dem Datenschutz“, erklärt Arbeitsrechtsexperte Philipp Maier, Partner bei der Anwaltskanzlei Baker McKenzie. Vermutet eine Frau aber beispielsweise, dass der männliche Kollege bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit mehr verdient als sie, hat sie zwei Möglichkeiten: Entweder wendet sie sich an den Betriebsrat. Er hat ein Recht auf Einsicht in die Gehaltsdaten und kann bei Verhandlungen mit dem Arbeitgeber unterstützen. Oder aber, sie geht zur Gleichbehandlungsanwaltschaft. „Diese hat  ein Recht, direkt beim Arbeitgeber Informationen zu Gehältern einzufordern oder sich vom Sozialversicherungsträger die Gehaltsdaten vergleichbarer Kollegen zu besorgen.“  Danach wird entschieden, ob es zu einem Verfahren wegen einer Gehaltsdiskriminierung kommt.

Seit 2011  sind Unternehmen mit mehr als 150 Beschäftigten  zudem dazu verpflichtet, sogenannte Einkommensberichte zu erstellen. Hier lässt sich die Summe der Löhne nach KV-Gruppen und Geschlecht herauslesen, etwa das Gesamtentgelt aller Kassiererinnen und Kassierer im Handel. Rückschlüsse auf einzelne Personen lassen sich allerdings nicht ziehen. Manche Arbeitsverträge enthalten zudem eine Entgeltgeheimhaltungsklausel, die es Mitarbeitenden verbieten soll, mit Kollegen über ihr Gehalt zu sprechen. „Solche Klauseln sind nicht zulässig“, sagt Maier.  

Was wäre, wenn alle alles wüssten?

Für Arbeitnehmer wäre es vermutlich eine relevante Information, wie hoch ihr Marktwert ist. „Außerdem sollten Menschen diese Information zur Verfügung haben, um die für sie beste Karriereentscheidung zu treffen“, sagt Nina Zimmermann. Auch bei Verhandlungen über eine Gehaltserhöhung wäre sie hilfreich. „Und es könnte helfen, den Gender Pay Gap entgegenzuwirken.“ Das Beispiel Norwegen, wo man 2001 alle Gehälter ins Internet gestellt hat, zeigt zudem, dass auch Potenzial darin bestehe, niedrige Löhne und Gehälter aufzuwerten. Um 4,8 Prozent sind diese damals gestiegen.  

Dass es hierzulande dazu kommt, das hält Philipp Maier  eher für ausgeschlossen. „Alleine aus datenschutzrechtlichen Gründen ist das  kaum vorstellbar. Ich sehe aber auch keine starken Bestrebungen der Arbeitnehmervertretungen dahingehend“, sagt er. Eine völlige Transparenz hinsichtlich was wer verdient, brauche es laut Georg Jurceka aber auch nicht, um fairere Gehälter zu schaffen. „Vieles würde sich  ändern, wenn Unternehmen ihre Prozesse  offen gestalten würden.“

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