Störfeld Arbeitsplatz: Ohren zu und durch
Von Nicole Thurn
Die hysterische Stimme der ewig telefonierenden Kollegin am Gang schneidet sich noch von fern in die Gehirnwindungen. Der Kunde spamt die Mailbox mit der 13. Anfrage zu, das Telefon läutet im Minutentakt. So, Konzentration. Der Bericht muss heute noch fertig werden. Als man endlich wieder im Fluss ist, kommt der Kollege vom sechsten Stock spontan auf einen Plausch vorbei. Der Druck wächst, die Zeit läuft, die Konzentration ist längst dahingeschmolzen. Und die Nerven liegen blank.
„Ständige Unterbrechungen nehmen im Joballtag zu “, beobachtet der Wiener Arbeits- und Organisationspsychologe Paul Braunger. Die Hauptfolge: „Die Konzentration wird beeinträchtigt.“ Dass sich Störungen von außen negativ auf die Arbeitsleistung auswirken, zeigt eine aktuelle US-Studie der Michigan State University: Die 300 Studienteilnehmer mussten knifflige Aufgaben am Computer erledigen. Manchmal wurden sie für drei Sekunden unterbrochen – und machten doppelt so viele Fehler wie zuvor. Dass schon minimale Ablenkungen zu einer deutlichen Verschlechterung der Arbeitsergebnisse führten, erstaunte die Forscher.
Psychologe Braunger pocht darauf, dass Unternehmen gemeinsam mit den Mitarbeitern Richtlinien für die Zusammenarbeit erstellen – wie die rote Karte für lautstark telefonierende Mitarbeiter. „Die Mitarbeiter müssen ihren Frust loswerden können“, sagt er. Vor allem wenn es um Großraumbüros geht (siehe unten).
Das Bewusstsein in den Unternehmen für bessere Arbeitsbedingungen nehme zu, meint Braunger. Nicht zuletzt wegen der Novelle des Arbeitnehmerschutzgesetzes, das seit 1. Jänner in Kraft ist: Die Unternehmen sind verpflichtet, neben körperlichen nun auch psychische Belastungen ihrer Mitarbeiter zu erheben und gegebenenfalls Maßnahmen zu setzen. Doch eine Ist-Analyse sei nicht nur für die Unternehmen wichtig, sondern auch für die Mitarbeiter selbst: „Man sollte sich fragen: Wie und wann werde ich unterbrochen? Warum bin ich überfordert?“ empfiehlt Braunger. Schon kleine Änderungen im Arbeitsablauf – wie das Abrufen der Mails nur zu bestimmten Zeiten, das Verlegen von Privatgesprächen in die Küche – würden helfen. Mitarbeiter sollten auch vermeiden, sich selbst mit Facebook und Surfen im Internet abzulenken.
Still und heimlich
Regelmäßige Pausen und die „stille Stunde“ seien sinnvolle Maßnahmen für bessere Konzentration, sagt Braunger. Das bestätigt eine Studie der Universität Saarland: 27 Manager legten täglich über eine Stunde eine Auszeit von Telefon, eMail und Gesprächen ein. Die Effekte: Sie arbeiteten effizienter, ansonsten Liegengebliebenes wurde erledigt, ihre Arbeitszufriedenheit stieg. Dass Manager sich die „stille Stunden“ eher gönnen können als ihre Mitarbeiter, sagt die Studie nicht. Und hier sind wiederum die Unternehmen gefragt.
Gemeinschaftsbüros liegen im Trend – denn sie haben einen großen Nutzen: Weniger Fläche kostet das Unternehmen auch weniger.
Mit ihrem Arbeitsumfeld zufriedener sind dennoch Mitarbeiter in kleineren Büros, zeigt eine Befragung unter 1230 Personen der Hochschule Luzern: Zwar gab ein Viertel der Befragten unabhängig vom Bürotyp an, häufig gestört zu werden, doch: Je größer das Büro, desto häufiger traten Symptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen und Kopfschmerzen auf.
Mittlerweile geht man weg von der großflächigen Halle, in der lediglich Zimmerpflanzen und Regale die Mitarbeiter voreinander „schützen“. Schalldämmungen, Rückzugsnischen, Lounges für sozialen Austausch sind in modernen „Open Space Offices“ vorgesehen. Psychologe Paul Braunger rät zudem zu klaren Richtlinien im Gemeinschaftsbüro: „Kein Essen wegen Geruchsbelästigung, die Telefone auf Blinken statt Läuten einstellen, für private Telefonate hinausgehen.“